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Inspiration Nr. 3 - 2021

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WEGWEISER LAUTERAARHORN

WEGWEISER LAUTERAARHORN Zwischenstation, aber noch nicht der Ausgangspunkt: die Lauteraarhütte «Weit unten die Lauteraarhütte, so winzig, als blickten wir aus einem Satelliten auf die Welt.» Der Anmarsch zum Lauteraarhorn zählt zu den längsten in den Alpen – hier auf der Etappe zwischen Lauteraarhütte und Aarbiwak. dazwischen Zacken, Türme und Zähne aus Fels, an deren Füssen Eisströme fliessen. Mir scheint, als wären wir tagelang marschiert, so einsam ist die Gegend. Nur ab und zu erinnert eine Markierungsstange daran, dass vor uns schon Menschen hier waren. Was praktisch ist, denn sie leiten den Weg durch ein Meer aus Geröll hin zu jenem Punkt, von dem aus wir das Aarbiwak entdecken – weit oben in einer Felsflanke, kaum grösser als einer der Steinblöcke, die es umgeben. Fast so simpel wie einst das Hôtel der Forscher ist dieses Biwak. Mit Gaskochern im Vorraum und Etagenbetten in der Stube. Doch hier in der alpinen Wildnis fühlt man sich in ihr geborgen wie ein Einsiedlerkrebs in seiner Muschel. Ein Zufluchtsort indes, den wir bereits um halb zwei Uhr morgens wieder verlassen. Draussen tanzen die Lichtkegel unserer Stirnlampen durch die Nacht, flirren über immer mehr Geröll, bis auf einmal Eis zwischen den Steinen schimmert. Wir haben den Gletscher erreicht und folgen diesem nun flussaufwärts mit immergleichem Schritt. So versunken im Gehen, dass wir selbst die Stirnlampen auslöschen und in eine Dunkelheit eintauchen, die so tief und schwarz ist, dass das Licht der Sterne den Gletscher und die Felder von Gletschertischen rund um uns zu erhellen vermag. wir im Schein der Stirnlampen die einzige Markierung der Tour: eine reflektierende Platte beim Einstieg in die Rinne. Doch Gletscherschmelze macht es möglich, leuchtet sie uns nun ein Dutzend Meter über unseren Köpfen entgegen, dazwischen Felsplatten, überzogen von Wassereis und einem Bach aus Schmelzwasser. Wenig später greifen wir einige Meter weiter rechts in nasse Felsen und stemmen uns über sandige Stufen, bis wir zurück auf der Route sind. Immer höher steigen wir über Felsstufen, umgeben von der Finsternis, in der – das Geräusch ist kaum zu orten – Schmelzwasserbäche rund um uns rauschen. Erst als die umliegenden Gipfel aus der Dunkelheit auftauchen und das Finsteraarhorn schräg hinter uns erst silberblau, dann pfirsichrot aufleuchtet, tauchen wir in die Monotonie langer Firnpassagen ein. Schritt, Pickel, Schritt, Pickel – so haben wir uns diese Tour vorgestellt. Doch anders als erwartet, ist der Firn hart wie Eis. Nur die Zacken der Steigeisen dringen ein. Und so fragen wir uns bald, ob es sich im Fels nicht angenehmer kraxeln liesse? Wir blicken um uns: Weit unter uns entdecken wir eine Seilschaft, die in diesem Moment umkehrt ERST SILBERBLAU, DANN PFIRSICHROT Die Erstbesteiger waren im Tageslicht hier unterwegs. An einem Morgen, an dem Neuschnee lag. Denn solcher habe die Schründe bedeckt und «grosse Vorsicht und den Gebrauch der Leiter nötig» gemacht, wird Alpinchronist Gottlieb Studer einige Jahrzehnte später über die Erstbesteigung schreiben. Wir aber treffen auf ein anderes Hindernis. Als wir das Couloir erreichen, das in die tausend Meter hohe Südflanke des Lauteraarhorns führt, suchen Wie eine Muschel in einem Meer aus Geröll: das Aarbiwak 38 INSPIRATION 03 / 2021 39

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