EXPERT KINDERAUSRÜSTUNG VOM BAUM AN DEN FELS Klettern ist für Kinder ein natürlicher Drang. Damit «richtiges» Seilklettern oder Klettersteige familientauglich werden, braucht es die passende Ausrüstung und den richtigen Umgang mit ihr – Teil zwei unseres Ausrüstungs-Spezials für Kinder. ILLUSTRATION: LAURA KLOHN TEXT NADINE REGEL Wenn Kinder hoch oben auf dünnen Ästchen durch die Baumkronen balancieren, kommen Eltern schnell mal in Schnappatmung. Dabei folgen die Kletteräffchen nur ihrer Intuition, wie Matthias Schmid, Experte für Kinderausrüstung bei Bächli Bergsport, weiss: «Das ist bei den Kindern ein ganz natürlicher Drang.» Auch Olympia-Goldmedaillen-Gewinnerin Janja Garnbret hat auf diese Weise den Grundstein für ihre Karriere als Kletterin gelegt. Immer mehr Eltern fördern die junge Leidenschaft ihrer Kinder und nehmen sie mit an den Fels oder auf eine erste Klettersteigtour. «Familien suchen das gemeinsame Erlebnis draussen», so Matthias Schmid. Der Kinderbereich in der Boulderhalle ist da der erste Schritt, um sie spielerisch an das Klettern heranzuführen. Bleiben die Kleinen interessiert, probieren viele das Seilklettern aus. Doch manchmal sei das Schaukeln im Seil fast noch interessanter als die ersten Meter in der Vertikalen, sagt der Bächli-Experte. Das darf und soll natürlich auch so sein – Spass steht immer an erster Stelle. «Man darf sich als Eltern nicht vorstellen, dass man gleich zusammen in eine Mehrseillänge einsteigt.» Am Wandfuss ein bisschen rumkraxeln – das reicht meist schon. Druck sollte nämlich keineswegs entstehen. «Der natürliche Bewegungsdrang reicht als Motivation allemal, um rasche Fortschritte zu erzielen», so Schmid. KOMBI-, BRUST- UND KINDERKLETTERGURTE Aber welche Ausrüstung brauchen die Kinder? Was die Kletterausrüstung betrifft, ist es sinnvoll, sich direkt in einer der Filialen beraten zu lassen – vor allem beim Thema Klettergurt. «Bei kleineren Kindern bewährt sich der Kombigurt», empfiehlt Schmid für Kinder bis etwa 30 oder 40 Kilogramm. So ist der Kombigurt in der Regel der allererste Gurt, der normalerweise im Alter von drei bis fünf Jahren zum Einsatz kommt. Bei dieser Kombination aus Hüft- und Brustgurt, die fest miteinander verbunden sind, befindet sich die Einbindeschlaufe höher als bei Hüftgurten (z. B. Petzl Ouistiti, Black Diamond Momentum Kid’s). Das verhindert bei einem Sturz, dass sich das Kind kopfüber dreht. Werden die Kinder zu gross oder zu schwer für den Kombigurt, sind verstellbare Brustgurte wie der Edelrid Kermit in Verbindung mit einem Kinderklettergurt ideal. Im Alter zwischen acht und zehn Jahren wechseln Kinder häufig zum Hüftgurt (z. B. Edelrid Finn oder Petzl Macchu). «In diesem Alter werden Kinder dann auch ambitionierter», sagt Schmid, der als ausgebildeter Kinder-Klettertrainer die Anforderungen und Wünsche der Kleinen gut kennt. Oft kämen die Kinder von selbst und wollen, genau wie die Grossen, einen Hüftgurt tragen. Bei alpinen Touren draussen im Gelände greife man aber länger auf den Kombigurt bzw. die Lösung aus Brust- und Klettergurt zurück, gibt Schmid zu bedenken. Und weil die Kleinen beim Klettern eigentlich schon ganz gross sein wollen, darf ein Chalkbag natürlich nicht fehlen: «Für den Anfang kann man ein kleines Spielzeug oder den Zvieri reinlegen», empfiehlt Schmid. Auf eine «riesige Staubparty» habe in der Kletterhalle niemand Lust – allen voran die Betreiber nicht. KLETTER- UND WANDERSCHUHE Bei Erwachsenen ist die Auswahl des richtigen Kletterschuhs eine Wissenschaft für sich. Features wie Vorspann, Downturn, verstärkte Ferse, Toe-Hook-Gummi und so weiter spielen bei Kindern erst mal keine entscheidende Rolle. Der erste Kletterschuh sollte vor allem bequem sein – und darf auch etwas lockerer sitzen: «Anfangs kann man auch noch mit einer Socke aushelfen, bis die Kinder dann komplett hineinwachsen», rät Schmid. «Es bringt ja nichts, wenn sie einen Grad besser klettern, dafür aber Schmerzen haben», sagt der Bächli-Experte. Für performanceorientierte Kletterschuhe muss sich sowieso erst die Fussmuskulatur ausreichend entwickeln. Aus diesem Grund sollten anfangs Modelle mit eher weicher Sohlenkonstruktion gewählt werden, die die Entwicklung des motorischen Feingefühls unterstützen. Gleichzeitig sind eine grosse Öffnung für einfaches An- und Ausziehen sowie ein weiches Obermaterial, das Druckstellen verhindert, beim Kauf ausschlaggebend. Einige Hersteller INSPIRATION 02 / 2022 33
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