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Inspiration Nr. 1/2020

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WEGWEISER NANGA PARBAT

WEGWEISER NANGA PARBAT NANGA PARBAT Blick vom Basislager des Nanga Parbat auf die 4000 Meter hohe Diamirflanke. In rot die Aufstiegsroute der Franzosen mit ihren drei Lagern. Für die Abfahrt wählten sie den gleichen Weg, nur die senkrechte Kinshofer- Wand umfuhren sie auf einer Variante (orange). Die mit Eisbrüchen übersäte Diamirflanke in der Bildmitte wurde 2008 vom Allgäuer Luis Stitzinger mit Ski befahren, er startete 300 Meter unterhalb des Gipfels. Für die Akklimatisierung am Spantik fanden wir einen 5700 Meter hohen Gipfel mit wunderbaren Hängen, direkt hinter unserem Basislager. auf. Das Spuren verlangt einen zähen Willen. Tiphaine lässt nicht locker, obwohl sie müde ist. Gegen 18 Uhr sind wir auf mehr als 8000 Metern. Ich steige noch weiter, bis der Höhenmesser 8040 Meter zeigt. Der Gipfel ist in Sicht, aber ausser Reichweite. Tiphaine ist stehen geblieben. Es ist spät, das Wetter ist mässig, ich gebe auch auf. Als wir für die Abfahrt fertig sind, wird es bereits dunkel. Wir benutzen unsere Smartphones als Stirnlampen und fahren in einem ziemlich abenteuerlichen Stil, mehr seitlich Erkundung der Diamirflanke. An einigen Stellen ist das Eis nur mit wenigen Zentimetern Schnee bedeckt. rutschend als fahrend, zurück ins Lager 4, das wir gegen 21 Uhr erreichen. Wir sind müde, aber nicht verausgabt. Unser später Aufbruch hat unsere Erfolgsaussichten sabotiert. Wir müssen es noch einmal versuchen. 30. JUNI 2019 Ruhetag auf 7250 Metern. Wir verbringen den Tag mit trinken, Geschichten erzählen und der Reparatur meines Schuhs, der in der Abfahrt gebrochen ist. Mit einer Eisschraube bohre ich zwei Löcher in die Schale, mit einer Schnur kann ich den Schuh in der Abfahrtsposition fixieren. Die Moral ist gut, und ausgestreckt in unseren Schlafsäcken spüren wir nicht einmal die Höhe! 1. JULI 2019 Diesmal klingelt der Wecker um 0:30 Uhr. Leider verschütten wir die Hälfte des Topfinhalts im Zelt. Bis wir wieder Schnee geschmolzen, die Schuhe vorgewärmt haben und losziehen können, ist es wieder 3:30 Uhr – unser neuer Rekord bei der Morgenroutine! Zudem müssen wir spuren. Unser Tempo ist deprimierend niedrig, schon nach kurzer Zeit wechseln wir uns mit dem Spuren ab. Auf 7800 Metern bleibt Tiphaine an einem Felsen zurück, und erklärt mir, dass sie hier auf mich warten wird. Ich bin etwas überrascht, sie schien bis jetzt in guter Verfassung zu sein. Ich schlage ihr vor, gemeinsam ins Lager 4 zurückzukehren, doch sie besteht darauf, in einer Mulde hinter den Felsen auf mich zu warten. Mit meinem etwas benebelten Gehirn nehme ich das leichtfertig hin. Nur um mal zu sehen, aber ohne wirklich an den Gipfel zu glauben, steige ich weiter auf. Bald passiere ich unseren Umkehrpunkt von vor zwei Tagen, auf etwas über 8000 Metern. Der tiefe Bruchharsch weicht einer härteren Unterlage, endlich komme ich in vernünftigem Tempo voran. Erstmals scheint mir der Gipfel erreichbar zu sein. Ich beobachte die Wolken, die aus dem Tal kommen. Es ist sehr windig. Ich bin fokussiert und entschlossen. Auf etwa 8080 Metern erreiche ich eine kleine Scharte links des Gipfels und deponiere meine Ski. Es ist 17:27 Uhr. Der Wind weht heftig, zwischen Licht und Schatten stehe ich auf dem Gipfel des Nanga Parbat. Ohne Tiphaine ist die Freude nicht so gross, anders als am Spantik fliessen keine Tränen. Es ist einfach unbeschreiblich, hier zu sein. Ich mache ein Selfie und ein Panoramafoto und kehre zum Skidepot zurück. 50 Meter unter dem Gipfel schnalle ich die Ski an. Ich hole Tiphaine ab, die in ihrer Mulde kauert. Wir umarmen uns und sind erleichtert, wieder zusammen zu sein. Auch wenn unsere Beine nicht mehr wirklich reagieren, ist die Abfahrt unglaublich schön. Die tief stehende Sonne leuchtet rot, der Himmel brennt förmlich, das Licht ist magisch. Um 19 Uhr sind wir wieder in Lager 4. 2. JULI 2019 Wir warten, bis die Sonne unser Zelt erwärmt. Dann machen wir uns langsam fertig, wobei Tiphaine tapferer ist als ich. Ich bin faul, beginne, die Höhe zu spüren. Gegen 13 Uhr beginnen wir mit dem Abstieg. Unsere ursprüngliche Idee, wieder 200 Höhenmeter aufzusteigen und über die Diamirflanke abzufahren, geben wir schnell auf. Vier Nächte auf 7250 Metern haben unsere letzten Energiereserven erschöpft, wir fahren auf der Kinshofer-Route ab. Zwischen Lager 4 und Lager 3 treffen wir die anderen Gruppen, darunter Nims und sein Team. Unterhalb von Lager 3 ist das Eis nur mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Im Überschwang setze ich einen letzten Schwung, der zu einer ungewollten Rutschpartie auf Blankeis führt. Wir beschliessen, uns an den Fix seilen festzuhalten, um diese kritischen 100 Meter zu überwinden. Die danach folgenden, senkrechten Felsen der Kinshofer-Wand wollen wir über eine steile Variante rechts davon umfahren, die wir im Basislager ausfindig gemacht haben. Der Allgäuer Luis Stitzinger hat sie 2007 erstmals befahren. Es ist die Schlüsselstelle der Abfahrt. Wir sind angespannt. Wolken umhüllen uns, die Sicht ist gleich Null. Das Eis ist blank, die Wegfindung kompliziert, denn geradeaus endet die Rinne in einem monströsen Eisbruch. Entkräftet und zum ersten Mal auf dieser Reise streiten wir uns wegen des Wegverlaufs. Endlich finden wir 24 INSPIRATION 01 / 2020 25

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