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Inspiration Nr. 1/2020

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WEGWEISER NANGA PARBAT

WEGWEISER NANGA PARBAT ZWEI HOCH ZWEI TEXT & FOTOS BORIS LANGENSTEIN 20 Am zweiten Tag unserer Akklimatisierung steigen wir bis auf 5750 Meter. Tiphaine geniesst den Schnee und die Atmosphäre unter den Eisbrüchen. INSPIRATION 01 / 2020 In der kleinen Szene der Himalaya- Skialpinisten sind Boris Langenstein und Tiphaine Duperier das Team undercover. Ohne grossen Medienzirkus schnappten sich die beiden Franzosen 2018 die heiss umworbene Erstbefahrung des formschönen Laila Peak. 2019 legten sie mit einer Pionierabfahrt am Siebentausen der Spantik nach, die jedoch nur als Vorbereitung für ein noch grösseres Projekt diente: eine möglichst vollständige Skibefahrung des 8125 Meter hohen Nanga Parbat. Boris Langenstein gewährte uns Einblick in sein Expeditionstagebuch. 8. BIS 9. JUNI 2019 Wir sind auf dem Weg ins Basislager des Nanga Parbat. Nach der erfolgreichen Befahrung des Spantik wechseln wir das Tal, auch die Landschaft und die Menschen ändern sich. Diese Region ist viel konservativer. In Shilaz, dem Ausgangspunkt für den Nanga-Trek, tragen die Männer lange Bärte, und Frauen, die in Skardu schon kaum zu sehen sind, sind hier völlig unsichtbar. In zwei Tagen erreichen wir, begleitet von unserem Polizisten, das Lager. Der Ort ist magisch: etwas Gras und die 4000 Meter hohe Wand des Nanga Parbat im Hintergrund. Zwei Teams sind bereits da: zwei georgische Kletterer und ein russischitalienisches Team, darunter auch Cala Cimenti, die wir letztes Jahr am Laila Peak getroffen haben. Auch sie wollen wie wir eine Skiabfahrt versuchen. Die Bedingungen in der Diamirflanke sehen gut aus, und unsere kleinen Gehirne träumen bereits ganz aufgekratzt von einer direkten Abfahrtslinie im Zentrum der Wand. 10. JUNI 2019 An unserem ersten Tag steigen wir ins Lager 2, um die berühmte Kinshofer-Wand kennenzulernen – eine 150 Meter hohe, senkrechte Wand und die technisch anspruchsvollste Passage auf dem Weg zum Gipfel. Wir klettern die ersten 50 Meter und befestigen unser Seil. Von dort aus können wir den Rest des Weges und vor allem die Reste der vielen Fixseile sehen. Ein kurzer Materialcheck ergibt, dass einige noch in gutem Zustand sind. Nur hier an der Kinshofer- Wand verwenden wir Fixseile. Guter Dinge kehren wir um und schwingen den riesigen, perfekt geneigten Hang hinab zum Lager 1. Um 15 Uhr sind wir wieder im Basislager. 11. BIS 15. JUNI 2019 Meine Zweifel vom Vortag sind bestätigt, Pakistan hat meinen Magen fest im Griff. Tiorfan, Imodium, georgische Medizin … nichts hilft. Ich spüre Tiphaines sorgenvolle Blicke auf meine körperliche Verfassung. Erst nach fünf Tagen und etwas Antibiotikum wird es besser. In der Zwischenzeit hat ein Schneesturm dem Basislager mehr als 80 cm Neuschnee beschert. Der Nanga Parbat selbst wurde dagegen vom Wind durchgefegt – nun glänzt das blanke Eis in der Sonne. Unser Traum von einer direkten Skibefahrung scheint zu schwinden. 15. BIS 20. JUNI 2019 Wir erkunden die Diamirflanke. Unsere Form ist mässig, aber wir sind optimistisch, dass in ein paar Tagen alles wieder normal sein wird. Zum Abschluss der Höhenanpassung wollen wir noch einmal bis auf 7000 Meter steigen. Um das ewige Auf und Ab an der Kinshofer-Wand zu vermeiden und eine mögliche Abfahrtsroute auszukundschaften, gehen wir in die wilde Diamirflanke. Das Wetter ist wechselhaft, aber nie wirklich schlecht, und die Schneeverhältnisse sind gut, also können wir uns in die Höhle des Löwen vorwagen. Nach vier Tagen erreichen wir, über eine vermutlich bisher unbegangene Route, das Ende der Diamirflanke auf knapp 7500 Metern. Hier stossen wir auf den Normalweg der Kinshofer-Route, über die man ebenfalls abfahren könnte. Nach einer letzten Nacht auf 6600 Metern kehren wir ins Basislager zurück. Mit dieser Reise ins Herz der Diamirflanke ist die Expedition für uns bereits ein Erfolg! «Nur um mal zu sehen, aber ohne wirklich an den Gipfel zu glauben, steige ich weiter auf.» 21

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