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Inspiration - Nr. 04.2021

EXPERT SCHNEESCHUHE

EXPERT SCHNEESCHUHE AUFTRIEB MIT TRADITION Schneeschuhe sind älter als die Gletscherleiche «Ötzi». Doch als reines Sportgerät feiert die traditionelle Auftriebshilfe erst seit wenigen Jahren einen Siegeszug. Alles Wissenswerte zum Thema Schneeschuhe. ILLUSTRATION: LAURA KLOHN TEXT THOMAS EBERT Schneeschuhe können mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Rekord für sich verbuchen: Abgesehen von Axt und Bekleidung sind sie nämlich der älteste Ausrüstungsgegenstand der Welt. Es gibt entsprechende Hinweise in altgriechischer Literatur (um die Zeitenwende), ein Fundstück aus den Ötztaler Alpen ist sogar älter datiert als die berühmte Gletscherleiche «Ötzi». Jahrhundertelang verschafften Schneeschuhe Jägern, Sammlern, Holzfällern und Fallenstellern Auftrieb im Schnee oder in Sumpfgebieten. Und noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein bezeichnete man im Deutschen die (in Norwegen erfundenen) Ski ebenfalls als «Schneeschuhe». Als Sportgerät wird der Schneeschuh allerdings erst seit kurzer Zeit wahrgenommen. Ein Indiz ist etwa, dass der SAC erst im Jahr 2005 eine eigene Skala für Schneeschuhtouren entwickelte. «In dieser Zeit wurde im SAC Verlag der erste Schneeschuhtourenführer publiziert und dafür wurde eine Schwierigkeitsskala benötigt», sagt Bruno Hasler, Bereichsleiter Ausbildung und Sicherheit beim SAC. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Gründen, die das Schneeschuhwandern zu einem ausgezeichneten Wintersport machen. Erstens: Es gibt quasi keine Lernphase – Schneeschuhwandern kann jeder, der gehen kann. Zweitens: Abgesehen von Wanderstöcken braucht es kein Zubehör, zumindest im gesicherten Gelände. Drittens: Schneeschuhgeher sind unabhängig von präparierten Pisten oder Loipen. Viertens: Schneeschuhgehen ist absolut kindertauglich und damit ein Familiensport. Bei Bächli Bergsport ist von den führenden Anbietern MSR, TSL und Tubbs jeweils auch ein Kindermodell erhältlich, ausgelegt für Körpergewichte von ca. 18 bis 57 kg. Andrea Brändli, die bei Bächli Bergsport den Produktbereich Schneeschuhe verantwortet, relativiert auch die Stammtischparole, dass Schneeschuhe nur etwas für Bergsteiger seien, die des Skifahrens nicht mächtig sind. «Man kann durchaus beide Sportarten praktizieren. Eine leichte Schneeschuhwanderung in ungefährlichem Gelände ist eine gute Alternative für Schlechtwettertage», sagt Brändli. Zustiege zum Eisklettern, klassisches Winterbergsteigen, Expeditionen – auch das sind Einsatzbereiche, in denen Schneeschuhe für Alpinisten absolut Sinn machen. ZWEIERLEI KATEGORIEN Wer vor der Wahl eines Schneeschuhs steht, wird noch einen Vorteil gegenüber dem (Touren-) Ski schätzen: Der Markt ist viel überschaubarer. «Schneeschuhe braucht man in der Regel nicht jedes Jahr neu», bestätigt Brändli, die in den letzten Jahren «keine bahnbrechenden Innovationen» am Schneeschuhmarkt festgestellt hat. Schneeschuhe sind ausgereift und langlebig, das macht das Sortiment übersichtlich. Ganz generell sollten alle modernen Modelle über eine aufklappbare Steighilfe verfügen, die in steileren Hängen das Steigen erleichtert. Pflicht sind ausserdem stählerne Steigeisen unter dem Schneeschuh, die ein Abrutschen bei eisigen Verhältnissen verhindern. Dabei lassen sich Schneeschuhe in die Kategorien «Wandern» und «Bergsteigen» einteilen. Modelle der ersten Kategorie genügen für einfaches Gelände mit leichten Steigungen, etwa im Wald oder im Mittelgebirge. Wer auch steile Hänge und Querungen im Hochgebirge unter die Schneeschuhe nehmen will, greift zu einem Modell, das sich auch zum Winterbergsteigen eignet. Sie verfügen über mehr und aggressivere Metallzacken und stabilere Rahmen, die auch extremen Belastungen bei steilem Aufkanten standhalten. An der Funktionsweise von Schneeschuhen hat sich seit der Antike nichts geändert: Viel Fläche sorgt für viel Auftrieb. Völlig neu sind dagegen die verwendeten Materialien – statt geflochtenen Weidenzweigen dominieren heute Stahl, Aluminium und Spezialkunststoffe, die auch bei grosser Kälte nicht spröde werden. Ein «Ausreisser» sind die Hyperflex-Modelle von TSL, die im Winter 2014/15 erstmals auf den Markt kamen. «Dabei handelt es sich um Kunststoff-Schneeschuhe mit seitlichen Carbon-Einsätzen, welche sich dank ihrer extremen Flexibilität, dem geringen Gewicht und der ergonomischen Bindung jedem Gelände anpassen und den Fuss äusserst natürlich abrollen lassen», so Brändli. Durch die relativ simple Ausstattung und das klare Anforderungsprofil kommt man bei INSPIRATION 04 / 2021 19

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