GIPFELTREFFEN STEVE HOUSE fast alle sind berufstätig. Sie machen eine Expedition pro Jahr, gehen mit Bergführern. Einige Kunden sind heiss darauf, ihren ersten 50-Kilometer-Lauf zu schaffen, oder ihr erstes Skitourenrennen. Aber: 80 Prozent unserer Athleten, dazu haben wir eine Umfrage gemacht, haben gar kein konkretes Ziel. Sie wollen fitter werden und dafür systematisch trainieren. Also ist Motivation eher selten das Problem, sondern die Einhaltung des Trainingsplans? Ja, genau, unsere Kunden wollen jemanden, der das Training überwacht. Scott Johnston hat immer gesagt: Ein Coach hat keine Trillerpfeife, damit du anfängst, sondern damit du aufhörst. Training ist simpel, man muss nur wenigen Regeln folgen und wird unweigerlich besser. Aber es ist wirklich schwer, sich selbst zu coachen, die richtige Dosis zu finden. Denn natürlich ist es nicht zielführend, jeden Tag so viel zu trainieren, wie man kann. Was ist der häufigste Fehler beim Training? Ein klassischer Fehler ist, dass man den Sport an sich mit Training verwechselt. Das gilt speziell fürs Klettern. Wir kommen aus einer Tradition, in der man klettert, um im Klettern besser zu Steve House am Gipfel des Nanga Parbat: «Was du theroetisch drauf hast und was du gemacht hast, das sind zwei Paar Schuhe.» werden. Das geht zwar, aber das ist kein Training. Training basiert auf sehr klaren und gut erforschten Prinzipien. Speziell beim Bergsteigen reicht es nicht, einfach nur fit zu sein. Einem 21-jährigen Bergsteiger würde ich kein Training empfehlen. Der soll klettern gehen, und sobald er Ziele hat und erkennt, dass ihn seine Physis limitiert und nicht mehr fehlendes Einschätzungsvermögen oder mangelndes Können im Umgang mit Steigeisen und Eisgeräten, dann kann er anfangen zu trainieren. Wie arbeitet ihr mit den Athleten – online? Meistens ja. Wir erarbeiten Trainingspläne, nach denen unsere Kunden trainieren, und analysieren dann die Aufzeichnungen. Vieles ist auch gute Trainingssteuerung. Einige unserer Kunden wissen etwa, dass sie im Oktober aus beruflichen Gründen weniger trainieren können. Unser Job ist dann, das in den Trainingsplan zu integrieren. Auf Wunsch gibt es auch Ernährungsberatung, Mentaltraining oder Physiotherapie, das volle Programm. Wie viel Potenzial steckt noch in der Trainingsforschung für Alpinisten? Da ist noch sehr viel Luft. Beim Sportklettern nicht mehr so sehr – niemand wird morgen eine 10a klettern, ohne je eine 9a geklettert zu sein. Aber beim Bergsteigen sind solche Sprünge noch drin. Man kann nicht jeden Tag eine Himalaya-Wand probieren, so wie ein Projekt im Klettergarten. Deswegen ist der Fortschritt hier langsamer. Und neben der Fitness muss noch viel mehr zusammenpassen, du musst mit dem richtigen Partner zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. High-End-Alpinismus ist eigentlich nur eine Kombination aller Fähigkeiten, ein Ausdruck dessen, was du ohnehin schon kannst. Aber was du theoretisch drauf hast, und was du gemacht hast – das sind zwei Paar Schuhe. Deine erste Trainingsbibel für Bergsteiger heisst «Training for the new Alpinism». Was zeichnet den «neuen» Alpinismus aus – Fortschritte im physischen Bereich oder mutigere, kreativere, mental fittere Bergsteiger? Das ist eine gute Frage, und es gibt keine einfache Antwort. Das Buch hatte den Zweck, den Fortschritt im Alpinismus zumindest von physischer Seite zu erleichtern. Fit und gut trainiert auf eine Expedition zu gehen, ist der leichteste Teil von allem. Der schwierigere Teil ist, wie du sagst, die Kreativität, neue Wege und Ziele zu finden und mental bereit zu sein, das auszudrücken. Künftige Bergsteiger haben die Möglichkeit, fitter zu sein, als Bergsteiger es jemals waren. Eine grosse Wand in zwei und nicht in fünf Tagen zu begehen, ist ein riesiger Unterschied. Man kann eine Biwaknacht durchmachen und irgendwie den nächsten Tag rumbringen, aber man kann nicht fünf Tage ohne Schlaf klettern. Das macht Alpinismus so interessant. Je besser man ist, desto weniger braucht man, und je simpler man die Dinge macht, desto reicher wird die Erfahrung. Auf Twitter hast du ein Zitat angepinnt: «Why all the focus on happiness, when its so clearly suffering that forms us» Ist das ein Zitat von dir und hast du schon eine Antwort darauf? Ja, das ist von mir. Es ist eher eine rhetorische Frage, die zum Nachdenken FOTO: VINCE ANDERSON anregen soll, was dein Leben wertvoll macht. Und ich glaube, die meisten würden zustimmen, dass ihre wertvollsten Erlebnisse die sind, die nicht so leicht zu erreichen waren. Die Rupalwand zu klettern, war sicher kein Vergnügen, aber ein sehr wertvolles Erlebnis. Versteht du unter «suffering» körperliche Anstrengung? Nein, nicht nur. Eine Freundin von mir hat ihr Medizinstudium gehasst, aber liebt es heute, Ärztin zu sein. Das gilt nicht nur für Bergsteiger: Man wird sich an die Dinge erinnern, die einem schwergefallen sind. Und das sind die Dinge, die dich verändern. Mit Freunden abhängen und Spass haben ist schön und gut, aber es formt nicht deine Persönlichkeit, nicht so sehr, wie sich zu etwas zu überwinden oder für etwas zu kämpfen. Mir gefällt die Beobachtung nach wie vor, sie hat einen wahren Kern. Die Niederlage ist wertvoller als der Sieg? Ich mag Klettern, weil es eben keinen Wettkampfcharakter hat. Man macht es nicht, um besser zu sein als jemand anders, sondern um herauszufinden, wer man ist und vielleicht, um es morgen besser zu machen als gestern. Vor allem aber formt es dich. Das ist der Geist des Bergsteigens. Ich habe als Kind auch an Langlaufrennen oder Baseballmatches teilgenommen – nichts davon mache ich heute noch. Sie haben nicht zu der tiefen Freude geführt, wie ich sie vom Klettern kenne. Wir brauchen etwas, das uns lebenslang beschäftigt. Niemand wird bis zu seinem 80. Lebensjahr Leistungssportler sein. Aber ich kann klettern, solange ich körperlich dazu in der Lage bin. STECKBRIEF STEVE HOUSE Geboren am 4. August 1970 in Oregon/USA. 1981 nimmt ihn sein Vater Don mit auf den 3425 Meter hohen Mt. Hood. Ein Auslandsjahr in Slowenien vertieft die Bergleidenschaft. Nach extremen Erstbegehungen in Alaska, den Rocky Mountains und in Pakistan gelingt ihm 2005 mit Vince Anderson sein Meisterstück: der zentrale Pfeiler der Rupalwand am Nanga Parbat im Alpinstil. Einem schweren Kletterunfall 2010 am Mount Temple folgt der langsame Rückzug aus dem Spitzenalpinismus. House schreibt Bücher und engagiert sich mit dem «Alpine Mentors»-Projekt für Nachwuchsbergsteiger. Heute betreibt House unter uphillathlete.com eine Trainingsplattform für Alpinisten und arbeitet als Bergführer im San-Juan-Gebirge von Colorado. House lebt mit seiner Frau Eva, einer Österreicherin, und zwei Söhnen (1 und 4) in Colorado. LIVE THE MOMENT ZERO G 095 SKI ZERO G TOUR PRO SKI BOOT Entwickelt für maximales Fahrvergnügen, bietet der Zero G beste Performance bei reduziertem Gewicht – jeder Schwung in der Abfahrt ist jeden Schritt im Aufstieg wert. Erlebe die Kraft der Leichtigkeit. #LIVETHEMOMENT TECNICASPORTS.COM BLIZZARDSPORTS.COM 36
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