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Inspiration Nr. 01.2022

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GIPFELTREFFEN BARBARA

GIPFELTREFFEN BARBARA KELLER Eine Frage der Sichtweise: Die Ausstellungen ermutigen, neue Positionen und Perspektiven auf die Berge einzunehmen, etwa mit der Filmcollage aus dem Jahr 2017 (links) oder im «Fundbüro für Erinnerungen», zu dem auch das Museumspublikum beitragen kann (rechts). das geblieben ist, versuchen wir nun verstärkt mithilfe unserer Community zu stopfen. Hat sich Ihre Arbeit seitdem verändert? Die Zeit während der Rettungsaktion war anstrengend. Aber sie war auch hilfreich. Die Petition wurde von 16‘000 Menschen unterschrieben, es wurden zahlreiche Briefe von Interessenorganisationen an den Bundesrat geschickt. Aus heutiger Sicht hat das die Positionierung des Hauses in der Schweizer Gesellschaft spürbar gestärkt. Seitdem stehen wir noch einmal ganz anders da als zuvor. Das können wir nutzen für die Bindung des Publikums ans Museum. Sie sind seit zehn Jahren als stellvertretende Direktorin und Ausstellungskuratorin im Haus. Wie konnten Sie das Museum in der Zeit prägen? Ich habe in den letzten zehn Jahren 18 Ausstellungen gemacht, zu ganz vielfältigen Themen. Immer stand die Beziehung der Menschen zu den Bergen im Zentrum. Das Team, das hier am Werk ist, hat mit diesen Ausstellungen das Alpine Museum als Plattform für aktuelle Bergthemen etabliert. Und wir haben den Kreis derjenigen, die das Haus kennen und unsere Ausstellungen besuchen, mit jedem Projekt vergrössert. Mit was haben Sie verändert? Wir haben die Dauerausstellung komplett ausgeräumt, die seit Mitte der 90er-Jahre die Sammlung präsentierte. Das waren vor allem Reliefs, die einen Überblick über die Alpen gaben, ein bisschen Geologie, ein bisschen Flora und Fauna, ein bisschen Kultur, aber das hatte kaum noch Publikum angelockt. Unser Konzept war es, stattdessen immer wieder neue Ausstellungen zu machen, die wir dann jedes Mal nach aussen kommunizieren konnten und die auch immer wieder neues Publikum ansprechen. Mal abgesehen vom Ausstellungskonzept – hat sich das Museum selbst auch verändert? Im Erdgeschoss haben wir jetzt eine Beiz mit Terrasse. Sie öffnet das Museum zur Stadt. Dahinter befindet sich das sogenannte Biwak, ein Raum, wo wir drei kleinere Ausstellungen pro Jahr auf 100 Quadratmetern machen, immer in Kooperation mit Partnern aus unserem Netzwerk. Hier greifen wir Fragen auf, die nicht nur uns interessieren, sondern auch andere Institutionen, Hochschulen oder Vereine. Dieses Format ist ganz wichtig für uns, um den Kreis der Interessierten und Besucher stetig und mit jeder Ausstellung zu vergrössern. Im besten Falle verliert man die dann nicht wieder. Wie das echte Biwak in den Bergen ist dieser Raum recht spartanisch eingerichtet, aber auch praktisch. Es kann immer wieder neu angepasst und zu aktuellen Themen bespielt werden. Die Sonderausstellungsräume sind im ersten und zweiten Stock auf 800 Quadratmetern. Gerade zeigen wir hier «Let’s talk about mountains», eine Ausstellung über die Berge in Nordkorea. Sie sind auch neue Wege gegangen mit dem «Fundbüro für Erinnerungen». Worum geht’s da? FOTO: DAVID SCHWEIZER Nach dem Abbau der Dauerausstellung war die Sammlung wenig präsent im Museum. Im Fundbüro können wir nun thematisch immer einen Teil der Sammlung zeigen, wie zum Beispiel zum Thema «Skifahren» im ersten Fundbüro oder die gerade aktuelle Ausstellung «Frauen am Berg». Weil Frauen in unserer Sammlung deutlich unterrepräsentiert sind, bietet das Fundbüro eine tolle Plattform, einmal Frauen darüber sprechen zu lassen, was sie erreicht und erlebt haben in den Bergen. Mit dem Fundbüro treten wir in Austausch mit dem Publikum. Wir sammeln Geschichten und schliessen Lücken in der Sammlung mithilfe der Besucher und Besucherinnen. Wie nehmen die Menschen das Mitmach-Angebot auf? Das kommt darauf an: Mit der Filmbox im Fundbüro laden wir die Besucherinnen und Besucher dazu ein, ihre Erfahrungen und Erlebnisse am Berg in einer Art Interview zu teilen. Das ist natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich, ob man dazu Lust hat, sich in so einer Kapsel vor der Kamera zu präsentieren. Aber wenn wir die Leute im Vorfeld bei der Planung zu einem Thema ansprechen, sich daran quasi als Alltagsexperten zu beteiligen, dann rennen wir oft offene Türen ein. Die Menschen teilen gern ihre Erinnerungen, mit entsprechender Vorbereitung sogar vor laufender Kamera. Wenn wir beispielsweise als Museum auf die Frauen zugehen und Interesse an ihren alpinistischen Leistungen zeigen, löst das bei denen eine aktive Auseinandersetzung aus, die wir wiederum für eine gute Ausstellung brauchen. Ich finde es wichtig, dass die Alpinistinnen endlich angemessen repräsentiert werden. Frauen meldeten sich früher vor allem, um die Nachlässe ihrer Männer zu bringen. Dabei haben sie selbst viel zu berichten über ihre eigenen Erfahrungen am Berg. Biwak, Fundbüro für Erinnerungen und Hauptausstellung – klingt ein bisschen wie im Theater mit seinen verschiedenen Bühnen … Ja, genauso ist es. Dazu kommen 60 bis 70 Veranstaltungen im Jahr, wenn nicht gerade Pandemie ist. Einerseits werden Ausstellungsthemen aufgegriffen und vertieft oder bewusst kontrovers diskutiert. Aber es gibt auch Gastveranstaltungen, Buchveröffentlichungen, Konzerte, die bringen dann Publikum und wir stellen den Platz für wenig Geld zur Verfügung. Das Museum ist auch eine Plattform für kulturelle Anlässe zu Bergthemen mitten in der Stadt. Was ist Ihr Rezept für den Themenmix, der das Museum nicht nur mit einer Sammlung spannender Erinnerungsstücke, sondern auch mit Leben füllen soll? Wir haben uns mit dem Neustart vor zehn Jahren auf Gegenwarts- und Zukunftsfragen ausgerichtet. Dass diese nie zu diskutieren sind, ohne auch in die Vergangenheit zu blicken, versteht sich von selbst. Die Vergangenheit spielt immer mit, aber es dreht sich um aktuelle Fragen mit Blick auf die Berge, die gleichzeitig viele andere Lebensbereiche betreffen. Nehmen wir nur Tourismus, Identitätsfragen, Umwelt und Natur, Architektur und Raumplanung, Energie, Mobilität – es «Es gibt so viele Felder des Lebens, wo unsere Beziehung zu den Bergen in irgendeiner Weise hineinspielt.» gibt so viele Felder des Lebens, wo unsere Beziehung zu den Bergen in irgendeiner Weise hineinspielt. Dabei spielt der alpine Bereich immer wieder eine Sonder-, wenn nicht sogar eine Vorreiterrolle ... Ja, nehmen wir nur die Umweltthemen oder die Architektur. Die Berge können mit Beispielen für zukunftsfähiges Bauen dienen. Hier gibt es viel Wissen, Tradition und Vorreiterprojekte, die Modellcharakter haben und zukunfts- 48 INSPIRATION 01 / 2022 49

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