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Inspiration Nr. 01.2022

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EXPERT LAWINENAIRBAGS

EXPERT LAWINENAIRBAGS Rechtshänder sowie Testauslösungen gehören mittlerweile zur Standardausstattung. VERSCHIEDENE PRINZIPIEN Bowdenzug, pyrotechnische Auslösung oder doch ein Superkondensator? Was nach viel technischem Know-how klingt, ist gar nicht so kompliziert. Lawinenairbag-Systeme lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: mechanische und elektronische Systeme. Die wichtigsten Unterschiede vorab: Mechanische Systeme bringen mit einer extraleichten Carbon-Kartusche um die 1000 Gramm auf die Waage. Mit Rucksack kosten sie circa CHF 600.– bis 700.–, die Carbon- Kartusche um die CHF 160.–. Die Kaufpreise für elektronische Airbag-Rucksäcke, die über ein elektronisch gesteuertes Gebläse befüllt werden, liegen um die CHF 1000.– und wiegen circa 1300 Gramm. MECHANISCHE SYSTEME Die Systeme mit Kartusche basieren alle auf einem ähnlichen Prinzip: Wie bei einer Fahrradbremse werden sie über einen Bowdenzug ausgelöst, der den Airbag mit der Kartusche verbindet. «Zieht man am Auslösegriff, kommt Zug auf ein Kabel, das wiederum eine Feder auslöst. Eine durch die Feder angetriebene Nadel sticht schliesslich die Gaskartusche an, das Gas tritt aus und füllt das Luftkissen», fasst Alexander Weijnman, Head of Avalanche Safety von Mammut, zusammen. Drei Sekunden dauert es, bis der mit 300 bar komprimierte (und für den Anwender völlig ungefährliche) Stickstoff den Airbag entfaltet und vollständig befüllt hat. Zusätzlich wird Umgebungsluft über Düsen angesaugt, um gemeinsam mit dem Gas den Airbag zu füllen. «Der Vorteil der mechanischen Systeme ist die hohe Initialenergie: Um den Airbag aus dem Rucksack zu befördern, braucht es eine gewisse Kraft. Diese ist bei Kartuschen- Systemen höher als bei elektronischen, weswegen die Airbags sehr komprimiert zusammengepackt werden können», erklärt Weijnman. Zu den Systemen mit Gaskartuschen gehören auch das R.A.S. von Mammut sowie der Avabag von Ortovox. Beide Hersteller haben ihr eigenes System entwickelt, das Prinzip dahinter ist allerdings dasselbe – auch das Gewicht der Carbon-Kartuschen mit 310 Gramm unterscheiden sich nicht. Wichtig für den Anwender ist, dass «Es kann sein, dass irgendwann ein neues System alle anderen in den Schatten stellt – die Unterschiede werden aber nicht mehr so gross sein.» MATTHIAS SCHMID PRODUKTMANAGER die Feder des Auslösesystems nach jeder (Test-) Auslösung wieder selbst gespannt werden muss. Wie das funktioniert, ist in den Gebrauchsanweisungen nachzulesen. Nur bei den Mammut-Systemen wird die Feder durch das Einschrauben der Kartusche automatisch gespannt. Ein anderes Auslösesystem verwendet die Münchner Firma ABS: Bei der pyrotechnischen Auslösung ist im Griff ein Sprengkörper enthalten, der durch das Ziehen eine winzige Explosion auslöst. Ein Metallstift, der durch den Sprengkörper angeschoben wird, durchsticht schliesslich die Versiegelung der Flasche und das Gas tritt aus. Nach einer Auslösung muss nicht nur die Kartusche, sondern ebenfalls der Griff ersetzt werden. «Die Konstruktion gilt nach wie vor als äusserst zuverlässig, Systeme mit Bowdenzug haben sich aber über die Jahre als ebenbürtig erwiesen», erklärt Bächli-Experte Matthias Schmid. Wiederholte (Test-)Auslösungen sind bei Kartuschen- Systemen nicht möglich. Nach einer Auslösung muss die Kartusche durch eine neue ersetzt oder wiederbefüllt werden. «Der Austausch ist in jeder Bächli Filiale möglich und kostet je nach Airbag-System zwischen CHF 10.– bis CHF 29.–», so Matthias Schmid. Eine Testauslösung während des Kaufs eines Lawinenairbags ist in den Bächli Filialien aber kostenlos – so können die Nutzer direkt mit dem Auslösesystem vertraut werden. Mit rund 300 Gramm (300 bar/0.68 psi) wiegen Carbon-Kartuschen knapp die Hälfte von Stahl- oder Aluminium-Kartuschen. Problematisch können gefüllte Kartuschen allerdings bei Flugreisen werden: Airbag-Druckkartuschen fallen zwar grundsätzlich in eine Sonderregelung der IATA (International Air Transport Association), dennoch empfiehlt sich eine Rücksprache mit der jeweiligen Airline vor Abflug. Manche Hersteller bieten deswegen leere Stahl- oder Alukartuschen zum Kauf an, die zum Beispiel in Taucherfachgeschäften vor Ort befüllt werden können. «Aber auch bei elektronischen Systemen ist es ratsam, die aktuellen Regeln abzuklären: Der Black Diamond Jetforce hat beispielsweise einen grossen Akku verbaut, die Kondensatoren von Alpride sind bei Fluggesellschaften teilweise noch unbekannt», erklärt der Bächli-Experte. VOLLELEKTRONISCHE SYSTEME Ganz ohne Gaskartusche kommen die elektronischen Auslöseeinheiten aus. 2014 haben Black Diamond und Pieps mit dem Jetforce- System den ersten vollelektronischen Lawinenairbag-Rucksack auf den Markt gebracht, vier Jahre später wurde mit dem Alpride E1 ein weiteres elektronisches System vorgestellt. Auch Arc’teryx ist 2016 mit dem Voltair in den Markt eingestiegen, dann aber auf dem europäischen Markt schnell wieder verschwunden: Der Rucksack hatte in Europa keinen TÜV erhalten. Das JetForce Pro-System wird über einen wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Akku betrieben. Nach der Auslösung füllt ein Gebläse den Airbag in regelmässigen Abständen nach. «Dadurch bleibt selbst ein beschädigtes Luftkissen mit einem faustgrossen Loch aufgeblasen», erklärt Loïc Tonnot von Black Diamond Europe. Gleichzeitig sorgt das Gebläse dafür, dass der Airbag nach drei Minuten entleert wird: So wird dem Verschütteten eine 200 Liter grosse Atemhöhle geschaffen. Zudem führt die Elektronik bei jeder Inbetriebnahme eine automatische Funktionsprüfung des Systems durch, der Systemstatus wird über LEDs am Griff angezeigt. Beim Alpride E1-System wurde die herkömmliche Lithium-Akku-Technologie durch einen Superkondensator ersetzt: Dieser speichert witterungsunabhängig genug Energie für zwei Auslösungen und lässt sich über ein Micro- USB-Kabel oder zwei AA-Batterien in 40 Minuten wieder aufladen. «Der Airbag kann zum Trainieren mehrmals ausgelöst werden, ausserdem sind auf einer Tour mehrere Auslösungen möglich. Eine Situation, bei der dies notwendig ist, sollte aber natürlich nicht provoziert werden», warnt Produktmanager Matthias Schmid. «Der Vorteil mehrerer Auslösungen liegt eher darin, dass man den Airbag im Zweifelsfall rascher auslöst und weniger Gefahr läuft, den richtigen Moment für die Auslösung zu verpassen.» WAS BRINGT DIE ZUKUNFT? «Die Systeme mit Druckpatronen sind bereits sehr ausgereift, bei den elektronischen ist aber vermutlich noch einiges an Potenzial vorhanden», schätzt Matthias Schmid. «Es könnte gut sein, dass irgendwann wieder ein neues System alle anderen in den Schatten stellt – die Unterschiede werden aber nicht mehr so gross ausfallen, dass aktuelle Modelle ersetzt werden müssten.» SYSTEM/HERSTELLER SYSTEMGEWICHT AIRBAG-VOLUMEN GAS/FÜLLUNG WIEDERBEFÜLLUNG PREIS MECHANISCHE SYSTEME Avabag (Ortovox) R.A.S. Removable Airbag System (Mammut) ABS Twinbag-System (pyrotechnisches Auslösesystem, ABS) ELEKTRONISCHE SYSTEME Alpride E1 (Alpride) Jetforce Pro (Black Diamond) 690 g (ohne Kartusche) 700 g (ohne Kartusche) 1390 g (ohne Kartusche und Griff) 160 Liter Stickstoff 150 Liter Stickstoff 170 Liter (2 x 85 Liter) 1280 g 150 Liter 1250 g 200 Liter Stickstoff Kondensator mit Radial Fan Lithium-Ionen-Akku mit Düsengebläse (57.6 Wh) CHF 29.– (Austausch bei Bächli) CHF 10.– (Austausch bei Bächli) CHF 24.– (Austausch der Kartusche und Patrone bei Bächli) Laden des Kondensators (mit zwei AA-Batterien oder Mikro-USB) Laden des Akkus (Strom) Ab CHF 719.– (Ascent 22 Avabag) Ab CHF 629.– (Flip Removable Airbag 3.0 22) Ab CHF 719.– (A.LIGHT Tour S) Ab CHF 989.– (Scott Patrol E1 22) CHF 1199.– (JetForce Pro 35) 44 INSPIRATION 01 / 2022

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