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Inspiration Nr. 01.2022

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RUBRIK UNTERRUBRIK

RUBRIK UNTERRUBRIK WEGWEISER VAL M Ü S TA IR WEIT UND BREIT Im Val Müstair lassen sich zwei der schönsten Hochebenen der Schweiz mit den Schneeschuhen durchstreifen. Und wer des Wanderns müde ist, lässt sich mithilfe von Hufen und Kufen durch das Biosphärenreservat chauffieren – mehr Entschleunigung geht kaum. TEXT & FOTOS DAVID COULIN Bei Jufplaun ist die 36 Weite wunderbar. INSPIRATION 01 / 2022 Sanft knirschen die Schneeschuhe unter unseren Füssen und graben sich leicht in den angeharsteten Schnee. Unsere drei Spuren ziehen sich wie die Heckwelle eines Raddampfers durch ein Meer von Schneekristallen, um sich weit hinten zu verschmelzen und zu verlieren. Vor uns nichts als ein weiteres riesiges, ebenes Schneefeld, so weit das Auge reicht. Wir wähnen uns im Wilden Westen Nordamerikas, und wenn es Sommer wäre, müsste gleich Winnetou dahergeritten kommen. Wir befinden uns aber in der südöstlichen Ecke der oft engen Schweiz – genau genommen beim Ofenpass. KEIN STRICH IN DER LANDSCHAFT Vom Restaurant Buffalora, hart an der Grenze des Schweizerischen Nationalparks, sind wir weggezogen, zusammen mit Winterwanderern und Skitouristen. Wir haben die erste sanfte Geländestufe überwunden und gesehen, wie die Skitouristen auf beide Seiten wegdriften – links, um den steilen Piz Daint zu besteigen, rechts, um zum sanfteren Munt Buffalora zu gelangen. Dazwischen weitet sich die Ebene von Jufplaun, viel zu flach für Skitourengänger, dafür umso attraktiver für Schneeschuh-Yetis. Fast hat man Skrupel, die spurlose Weite mit den eigenen Tritten zu durchpflügen – die Aussicht auf weitere Schneefälle in den folgenden Tagen lässt jedoch die Hemmungen fallen. So werden wir zu Landschaftsgrafikern, ziehen unsere Linien in weitem Bogen sanft hinauf zum Döss dal Termel. Wir schauen zurück und lassen uns von der weissen Weite, die uns umfängt, nochmals einnehmen. Dann erst richten wir den Blick vorwärts – und leicht hinauf. Unser Ziel: Taunter Pizza, die Senke zwischen dem Piz Daint und dem Westausläufer des Piz Dora. Langsam steigen wir an, wohl wissend, dass wir uns in Pioniergelände befinden. Dieses Teilstück ist in keinem Führer beschrieben, und kein grüner oder blauer Strich auf einer Landeskarte zeigt an, wie schön es hier ist. Vor uns weitet sich der Horizont über die Ebene hinaus, bestehend aus tausend weissen Zacken einer Nationalparkwelt, die im Winter unangetastet bleibt. Wer will, könnte jetzt noch den Piz Daint besteigen. Es wären nochmals 300 Höhenmeter, in einer Stunde wäre das zu machen. Allein – es will nicht recht zum Groove dieser Unternehmung passen, obwohl die Rundsicht vom Gipfel umfassend ist. Denn die Gratflanke steilt sich ziemlich auf und übersteigt dabei die 30-Grad-Marke. Das heisst: aufgepasst auf die Lawinengefahr. Es heisst aber auch, dass man guten Trittschnee braucht, um mit den Schneeschuhen weder rückwärtszurutschen noch bei jedem Tritt ins Bodenlose zu versinken. Aus einer Genusswanderung könnte dann schnell eine ernsthafte Unternehmung im Schwierigkeitsgrad WT 5 der Schneeschuhskala werden. Wir wollen uns aber höchstens mit einer WT 3 begnügen. Wir begegnen diesem Schwierigkeitsgrad da und dort im Abstieg. Da kann es schon ordentlich steil runtergehen. Zum Beispiel gerade nach dem Pass, wo man sich gerne auf die Skistöcke abstützt, um das Gleichgewicht zu halten, und wo man unter Umständen auch froh ist, wenn die Schneeschuhe mit Zackenkränzen nicht nur vorne, sondern auch auf den Seiten versehen sind. Aber richtig exponiert ist es nirgends. So gelangen wir halb stapfend, halb gleitend zur kleinen Plattform von Muliniersch. Nun begleiten uns wieder Skispuren, deren 37

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