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Inspiration Nr. 01.2022

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WEGWEISER BINNTAL Das

WEGWEISER BINNTAL Das Grosse Schinhorn (2937 m) ist einer der lohnendsten Gipfel in der Region – nicht nur der Aussicht wegen. Hauben- statt Hüttenküche: Das Hotel Albrun in Schmidighischere ist die erste Adresse am Ort für Geniesser. Der Manibode gilt den Einheimischen als Kraftort. Gebiet Alte Mässerchäller wesentlich einfacher, denn die uralten Lärchen schirmen in ihrem Sommerkleid so viel Licht ab, dass im Wald nur wenig Unterwuchs ist. «Fantastisch», murmelt Dani leise, während er eine Aufstiegsspur in den Altschnee legt. Seine Begeisterung gilt den unzähligen Felsblöcken, die in Grössen von Kleinwagen bis 40-Tönner überall im Wald verstreut liegen. Allesamt haben sie eine meterdicke Schneehaube auf. «Die liessen sich zu einer perfekten Pillow Line kombinieren», erklärt er Leni. Heute muss allerdings der Konjunktiv bemüht werden, denn die Schneekissen sind alles andere als weich. In der Bucket List in seinem Kopf wird der Mässerchäller als «Zauberwald» in der Liste aller unerledigten Skitourenprojekte abgespeichert. Zuerst sind allerdings die beiden Ziele dran, die Dani bei der Ankunft am Vorabend beim Blick aus dem Hotelzimmer erspäht hat: «Waaaahnsinns-Couloirs». Auf Danis virtueller Topo-Karte prangt eine Stecknadel bei den zwei parallel verlaufenden Rinnen, die über 1000 Höhenmeter in gleichmässiger Steilheit vom Gipfel des Breithorns zum Bachbett der Binna hinunterziehen. Ein kräftiger Westwind bläst vom Furggulti herab und droht den Torso innert kurzer Zeit auszukühlen. Statt der Standardaufstiegsroute entscheiden sich Leni und Dani für die direkte Route. Nicht ohne Hintergedanken, denn so können sie schon im Aufstieg auschecken, wo der Schnee für die anschliessende Abfahrt am besten ist. Die steilen Aufschwünge über den Gletscher umgehen sie in westlicher Richtung. Das erscheint ihnen nicht nur sicherer, sondern auch angenehmer. Je höher sie steigen, desto stärker wird der Wind. Sie verlieren deshalb keine Zeit, richten auf 3050 Metern das Skidepot ein und klettern die verbleibenden 67 Höhenmeter zum Schwarzhorn hoch. Punta Marani nennen die Italiener den Grenzgipfel, den man auch vom Rifugio Castiglioni und der Alpe Devero aus besteigen kann. Wie vermutet und erhofft finden die zwei auch Tage nach dem letzten Schneefall noch unverspurten Schnee in der gewünschten Konsistenz: in leichten Kristallen. LEICHTER SCHNEE, SCHWERER WEIN So leicht die Kristalle im Binntal sind, so schwer wiegt der Wein. Am Ende eines herausragenden ersten Tourentages schwenkt Leni das Weinglas, schliesst die Augen und atmet tief ein. Der Heida der St. Jodern Kellerei riecht verführerisch und strahlt in einem dunklen Gelb. Der Wein ist eine Besonderheit. Und das in zweierlei Hinsicht: Nicht nur ist Visperterminen das höchst gelegene Weinanbaugebiet Europas, die Trauben der Rebsorte Savagnin Blanc werden dort oben von wurzelechten Reben gewonnen, die über 100 Jahre alt sind. Der Wein zum Apéro ist ein Versprechen für das, was später auf dem Teller und im Rotweinglas folgt. Das Restaurant und Pension Albrun wird von Mario Inderschmitten und seiner Frau Laetitia geführt. Er, der Binntaler, der nach seinen Lehr- und Wanderjahren den Weg zurück in seine Heimat gefunden hat. Sie, die Elsässer Hotelfachfrau, die mit viel Charme und Erfahrung für das Wohl der Gäste sorgt. Zusammen wirten sie so erfolgreich, dass die Gastrokritiker von Gault & Millau dem Restaurant Albrun 15 Hauben verliehen haben. So gediegen das Nachtessen, so einfach die Zimmer – als Bergsportler fühlt man sich hier jedenfalls zu keinem Zeitpunkt deplatziert. Der Manibode gilt den Einheimischen als Kraftort. Man braucht kein Flair für Esoterik zu haben, um das zu verstehen. Just in dem Moment, als Leni und Dani die auf 2000 Metern Höhe gelegene Ebene erreichen, verflüchtigen sich die Nebelwolken. Nicht jedoch, ohne sich vorher einen dramatischen Kampf mit den immer kraftvolleren Sonnenstrahlen zu liefern. Die Sonne behält schliesslich die Oberhand und lässt Grampielhorn, Rothorn, Schwarzhorn und Stockhorn in warmem Licht erleuchten. Die Isolationsschicht verschwindet im Rucksack, die Hardshelljacke ist mehr denn je gefragt. 16 INSPIRATION 01 / 2022 Auf dem Manibode kämpfen Nebelwolken mit der Sonne um die 17 Vorherrschaft. Der Gipfel des Schwarzhorns ist noch eingehüllt.

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