Gipfeltreffen Alexander Megos‹1› In Topform und mentalausgeruht trat Megos beiden Olympischen Spielen2024 in Paris an ...‹ 2 › ... und ärgerte sichumso mehr über denAusrutscher im unterenWandteil des Lead-Halbfinales.«Ich bin nicht in Rage inder Höhle gestanden, um Parisauszumerzen.»nicht vorstellen – allein was da für Griffeverwendet wurden! Jakob Schubert mussman schon sehr hoch anrechnen, dass er solange am Stück dabei ist. In seiner Karrierehaben sich die Styles wahrscheinlich zehnmalgeändert, vom Hardcore-Festhalten biszum heutigen Herumspringen.In deinem Podcast hast du dich etwas genervtgezeigt von der Diskussion um dein Alter.Das «Old vs. Young»-Ding stört mich nicht.Eher schon, wenn Leute sagen, jetzt bist du30 oder 31, wäre es nicht langsam mal Zeit,etwas Richtiges in deinem Leben zu machen?Klar, wenn ich nicht trainiere, auf Wettkämpfefahre oder versuche, schwere Routen zu klettern,dann nehme ich vielleicht ein Video odereinen Podcast auf. Dieser Alltag unterscheidetsich eben ganz massiv von dem einesdurchschnittlichen 30-Jährigen.Profisport ist immer ein besonderer Lebensstil.Genau. Ich bin sicher kein Sportler, der ganzverbissen an seiner Karriere hängt – aberdie 30 als Wendepunkt zu begreifen undden Profisport an den Nagel zu hängen, istmeiner Meinung nach kompletter Blödsinn.Gerade jetzt mit 30 spielt die Erfahrung mitrein. Wir haben körperlich sicher ein ähnlichesLevel wie vor zehn Jahren, aber könnendie Leistung im Wettkampf viel besserauf den Punkt bringen. Jetzt gerade habeich überhaupt keinen Bock, aufzuhören,jetzt wird es erst richtig interessant.Gehen wir auf Norwegen. Keine zweiWochen nach dem Olympia-Aus hast duOndras Ausdauerroute «Change», mit 9b+eine der schwersten Routen der Welt, innur fünf Tagen wiederholt. War da etwasWut im Spiel?Nein. Norwegen war schon vor Olympia geplant,das hat nichts mit dem Abschneiden imWettkampf zu tun. Ich war einfach sehr gutin Form. Ich bin nicht in Rage in der Höhlegestanden, um Paris auszumerzen. Ich warganz einfach wieder froh, am Fels zu sein, daswar mehr Vorfreude als Wut. In Flatangersind die Routen auch sehr lang, da hat man oftnur einen einzigen Versuch pro Tag. Da steigtman nicht mal einfach so aus Wut ein.Wie sahen die Tagesabläufe aus?Ich gehe das immer recht strukturiert an.«Change» ist megalang, knapp 50 Meter.‹1›Wenn man vorher Zeit investiert und dierichtige Beta für sich findet, kann man sichviele Versuche sparen und es auf wenigeStellen reduzieren, in denen man potenziellfallen könnte. Die schaut man sich dann genauan. Ich habe vier Tage nur ausgebouldert,mir die Griffe und Sequenzen angeschaut.Am fünften Tag hatte ich erstmalsdas Gefühl, dass ein Durchstieg klappenkönnte, wenn alles richtig, richtig gut läuft.Und dann hat es gleich geklappt, was natürlichsehr erfreulich war.Du hast bei der Begehung Kneepads verwendet.Was bringen die? Ist das so hilfreichwie Magnesia?So wertvoll wie Magnesia werden die Kneepadssicher niemals sein. Wenn ich wählenmüsste, würde ich immer Magnesia nehmen.Es kommt auch ganz massiv drauf an,wie gut man die Dinger benutzen kann. Ichhatte zwar schon mal welche an, habe michaber eigentlich erst in Norwegen wirklichdamit beschäftigt. Mein Level mit Kneepadswar also noch sehr schlecht. Ich konnte dieuntere Crux der Route mit dem Knieklemmer,den Stefano (Ghisolfi, d. Red.) gefundenhat, dank der Kneepads entschärfen.Für den oberen Teil hätte ich sie eigentlichauch ausziehen können.Für den Begehungsstil ist es aber schonrelevant?Auf jeden Fall, das sollte man, finde ich, immerangeben. Ich habe nach «Change» jaauch noch «Move» (9b) geklettert. Da gabes viele Knieklemmer, an denen ich dankFotos: Nakajima Kazushige/IFSC, Mickael ChavetKneepad ruhen konnte, vor allem besserruhen, weil es weniger weh tat. So bin ichfrischer an der Crux angekommen. Auchdie wäre ohne Kneepad sicher einen halbenGrad schwerer. In «Change» haben diePads für mich die Schwierigkeit wohl einenhalben Grad nach unten gesetzt, weil dieSchlüsselstelle durch diesen einen Knieklemmerentschärft wird, aber der ganzeRest war quasi gleich.Apropos Schwierigkeit: Wie funktioniert es,wenn jemand aus der wahnsinnig engenWeltspitze eine Route abwertet – wie etwageschehen bei deiner Erstbegehung «Bibliographie»,für die du 2020 den Grad 9causgegeben hast?Das basiert einfach auf Ehrlichkeit, wir kennenuns ja alle. Es gibt da keinen Kodex, keineRegeln, aber natürlich spricht man vorhermiteinander. So hat es auch Stefano Ghisolfibei «Bibliographie» gemacht: «Alex, ich hab’da eine Variante gefunden, die glaube ich9b+ für mich ist.» Inzwischen haben nochdrei weitere Kletterer die Route wiederholtund alle seine Variante gewählt, also wirdschon etwas dran sein. Ich glaube übrigensauch, dass man in absoluter Topform dieSchwierigkeitsgrade nur schwer einschätzenkann. Man tendiert dann zur Abwertung,weil es sich einfach nicht schwer angefühlthat. Jakob Schubert kommen manche Dingeeinfach relativ leicht vor, weil er in diesemStil eben der Beste der Welt ist – wenn erdann abwertet, meint er das sicher nichtböse. Wer auf dem Spitzenlevel klettert,muss da drüberstehen.Ist 10a schon in Sicht?Erst mal käme ja 9c+. Da sehe ich Routenoptionen,aber ich habe niemanden auf dem Radar,der das in allernächster Zeit klettert. Von10a sind wir sicherlich noch 50 Jahre entfernt.Wobei ich mit Stefano schon diskutiert‹2›habe – eine 10a wäre in Flatanger sicher realisierbar.Man müsste da nicht ewig suchen:Der Umlenker von «Silence» (9c) ist ganz nahdran, wo «Move» schwer wird. Die logischeSchlussfolgerung wäre also, in «Move» weiterzuklettern,und vom «Move»-Umlenkergibt’s noch eine zweite Seillänge, die auch9a+ ist. Wenn du das alles kombinierst, bistdu mindestens bei 10a, wenn nicht schwerer.Alle Teile sind jetzt schon geklettert, aber ichglaube, in den nächsten 20 Jahren wird keinerkommen, um das ernsthaft zu probieren.Die junge Generation von Olympia, bei derwir vorher waren, hat da keine Ambitionen?Jakob Schubert, Adam Ondra und auchmich zeichnet sicher aus, dass unsere Generationeine der letzten ist, die sowohl imWettkampf als auch im Fels an der Weltspitzeperformt hat.Was macht dich da so sicher?Weil man nur begrenzt Zeit hat. Man mussAlexander MegosAlexander Megos wird am 12. August1993 im fränkischen Erlangen geboren.Seit 2006 nimmt er aktiv an Kletterwettkämpfenteil, 2007 klettert er seine erste8a. 2009 debütiert er im Kletter-Weltcup,gewinnt im European Youth Cupjeden Einzelwettkampf des Jahres undwird Jugend-Europameister. 2013 gelingtihm als erstem Kletterer mit «EstadoCritico» eine Onsight-Begehung imGrad 9a, 2014 durchsteigt er mit RogerSchäli die 550 Meter lange «Fly» (8c) ander Staldeflue bei Lauterbrunnen. 2017wird er Vize-Europameister im Bouldern,in der Folge schafft er es bei denWeltmeisterschaften im Leadkletterndrei mal aufs Podest. 2018 gelingt ihmdie Erstbegehung des Sharma-Projekts«Perfecto Mundo» (9b+), 2020 legt erfür «Bibliographie» in Céüse noch einhalbes Grad drauf, die später jedoch abgewertetwird. 2018 gewinnt er seinenersten und bisher einzigen Lead-Weltcupin Briançon und qualifiziert sich fürdie Olympischen Spiele in Tokio, wo erden 9. Rang belegt. Bei den Spielen inParis landet er auf Rang 13 und wiederholtim Anschluss die Ondra-Routen«Change» und «Move» inFlatanger (Norwegen).aber viel Zeit investieren, um einen Olympiasiegzu holen oder eine 9c zu klettern. Beideszusammen ist nicht möglich. Abgesehendavon würde es mich schon stark wundern,wenn etwa Sorato Anraku in seiner Off-Seasonnach Spanien fliegen würde, um 9b+ zuklettern – auch, wenn er das Niveau vermutlichhätte. Der Sport wird einfach immerprofessioneller. Als ich so alt war wie Soratoheute oder auch Toby Roberts, der in Parisdie Goldmedaille geholt hat, sind wir zu fünftnach Spanien gefahren, haben im Zelt gelebtund jeden Tag Nudeln mit Tomatensauce gekocht.Hauptsache billig. In der Zeit ist mirmit «Estado critico» die erste 9a onsightgelungen. Ich kann mir beim besten Willennicht vorstellen, dass heute jemand aus Japanlow budget nach Europa kommt, im Zeltlebt und dann im Weltcup was reisst. So einZiel gab es damals einfach nicht. Heutzutagehabe ich schon das Gefühl, dass manche16- oder 17-Jährige sich das Ziel setzen, mitdem Klettern Geld zu verdienen.4041
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