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Inspiration Nr. 01-2025

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Wegweiser

Wegweiser SteilrinnenEiskletter-Erstbegehungen WegweiserRogers Tipp für EinsteigerPontresina-Schlucht«Ich entscheide spontan,welche Linie ich hochklettere.»Über das Nordwestwand-Couloir und den Nordgrat auf den Piz Güglia,Erstbesteigung im Rope-Solo (WI5+, M5+)Text Roger Schäli«Das Routenentdecken steckt in mir drin. Für mich ist es ein Geschenk,die Berge wie durch die Augen eines Kindes zu sehen – alseine riesige Spielwiese mit unendlich vielen Möglichkeiten. Wennich in einen Klettergarten gehe, welchen ich nicht oder kaum kenne,klettere ich immer wieder mal gerne ohne Kletterführer. Ichlasse mich einfach von den Linien, welche mir gefallen, einladenund inspirieren. Ich liebe es auch, die Schwierigkeiten vorherselber zu schätzen. Genauso bin ich im vergangenen Winter amPiz Güglia vorgegangen, einem Aussichtsgipfel im Engadin, der inseiner alleinstehenden Form an das Matterhorn erinnert. Die Regionrund um den Julierpass ist bei Skitourengehern beliebt. Aufeiner Tour habe ich eine Route in der Nordwestwand entdeckt unddachte mir: Warum eigentlich nicht? Meine Wunschroute (600 m, 5SL, IV, WI5+, M5+) liegt abgewandt von der Zivilisation, mit einemgrossartigen Blick auf die Engadiner Bergwelt. Der vergangeneWinter war besonders – lange Zeit lag nur wenig Schnee. Deshalbhabe ich den Versuch am Piz Güglia hinausgezögert. Als die Bedingungenschliesslich gepasst haben, hatte keiner meiner KollegenZeit, mich zu begleiten. Also bin ich allein gegangen. Zweimal binich aufgestiegen, um die Bedingungen und die Route zu prüfen, undbeim dritten Mal stand ich dann auf dem Gipfel. Wegen des vielenSchnees waren die Säulen, an denen ich geklettert bin, dünn und‹1›Foto: Flavia CeliaFoto: Roger Schälimit Schnee und Luft gefüllt, sodass ich keine soliden Eisschraubensetzen konnte. Beim Aufstieg hatte ich zudem mit Lockerschneelawinenund Spindrift zu kämpfen. Für die Tour braucht man vielErfahrung in der Absicherung.Ich bin die Route als Rope-Solo gegangen und habe dabei meinGriGri zur Sicherung benutzt. Zusätzlich habe ich einen Rücksicherungsknotengesetzt, damit das Seil nicht durchrutscht. Ähnlich wiebeim Alpinklettern geht man beim Eisklettern selten ans Limit – esist wichtig, immer eine Reserve zu haben, vor allem, wenn man alleinunterwegs ist. Die Route hat fünf relativ schwere Seillängen, danachklettert man im klassischen Nordwandgelände im dritten undvierten Grad, welches ich ungesichert geklettert bin. Ich bin zwarkein Solokletterer, aber manchmal ist es schön, ganz allein unterwegszu sein. Allein am Berg fühlt man sich ganz klein, und das hatseinen eigenen Reiz. Da muss die Tour auch nicht besonders wildsein. Ich habe auf der Route in den fünf Seillängen keine Bohrhaken,sondern nur Stände mit Normalhaken gesetzt. Ein Bergführer mit einemfitten Gast könnte sie sicher gut gehen – zum Beispiel als Testtourfür die Eigernordwand. Ideal ist die Tour ab Februar oder März,wenn die Tage länger sind und die Lawinengefahr oft abnimmt. AlsVorsteigender sollte man schon besser klettern als Schwierigkeitsgrad5+, weil der Zeitaufwand gross ist und immer ein Restrisikobleibt. Ich bin vom Gipfel wieder über die Route abgeklettert. Wennman sich damit nicht wohlfühlen sollte, gibt es auch die Möglichkeit,die Schneeschuhe über die Tour mit auf den Gipfel zu nehmen undüber den Sommerweg wieder zurück zum Julierpass zu gelangen.Das Mixed- und Eisklettern hat sich in den vergangenen 40Jahren stark weiterentwickelt. Vor allem das Drytooling hat demSport einen neuen Schub gegeben. Doch am Ende konzentrierensich die Eiskletterer auf wenige Hotspots in den Dolomiten, Chamonixund Kandersteg. Mich faszinieren klassische Winterbesteigungenwie am Piz Güglia – eine Mischung aus Mixedklettern undBergsteigen, bei denen man klassische Linien im Winter hochgeht,wie es früher während der Hochphase der Nordwand-Besteigungenin den Alpen gemacht wurde. So entdeckt man die Berge nochwie vor 100 Jahren.»‹2›Die Eisformationen in der Pontresina-Schlucht entstehen sowohlnatürlich als auch durch künstliche Bewässerung, waseine zuverlässige Eisbildung ermöglicht. Die örtlichen Bergführerüberwachen den Aufbau des Eises, garantieren stabileVerhältnisse und beseitigen, wo immer möglich, potenzielleGefahrenstellen. Dennoch erfolgt das Klettern auf eigeneGefahr. Mit etwa 40 Meter hohen Eiswänden, die oft nur eineSeillänge lang sind, ist die Schlucht perfekt für Einsteiger geeignet.Doch auch Fortgeschrittene finden hier anspruchsvolleRouten. Ein besonderes Highlight ist der beleuchtete Sektor:Von Mitte Dezember bis Mitte März kann man hier täglich bis21.00 Uhr auch im Dunkeln klettern. Dank zahlreicher Routensowohl im unteren als auch im oberen Bereich verteilt sichdas Kletterpublikum gut. Cafés und Restaurants in der Nähebieten die Möglichkeit, sich in Pausen aufzuwärmen. Für Einsteigergibt es bei der Bergsteigerschule Pontresina Einführungs-,Technik- und private Kletterkurse. Nach Schneefällenwird der Schnee aus Gefahrenstellen beseitigt. Parkmöglichkeitenfinden sich auf den Parkplätzen Gitölia oder in denParkhäusern Mulin und Rondo. Topos und weitere Informationensind auf der Website von govertical.ch verfügbar.Rogers Tipp für FortgeschritteneBreitwangflue in KanderstegDie Breitwangflue in Kandersteg gilt europaweit als Mekka fürEiskletterer. Sie bietet ein beeindruckendes Spektrum an Routenim Eis- und Mixedklettern. Bekannt ist die Wand für ihreKlassiker «Crack Baby» (WI5+, 340 Meter) und «Flying Circus»(M10, E4, 165 Meter), die erste M10-Route Europas, 1998 erstbegangenvon Robert und Daniela Jasper, «Betablocker Super»(WI7, 300 Meter) oder «Ritter der Kokosnuss» (M12, WI5, 165Meter). Das Gelände ist herausfordernd: Die Wände sind teilweisesenkrecht oder überhängend, was die Touren äusserstanspruchsvoll macht. Doch auch die Bedingungen vor Ort erfordernbesondere Vorsicht. Es kann zu Plattenlösungen kommen,was die Sicherung erschwert. Besonders bei den ersten Begehungenin der Saison sollte man sehr achtsam sein. Wer an derBreitwangflue klettert, sollte sich mehrere Tage Zeit nehmen,um einen Überblick zu bekommen und einen guten Zeitpunkt zufinden, um in seine Wunschroute einzusteigen. Der Zustieg mit900 Metern erfolgt zu Fuss und dauert je nach Spurenlage zwischeneineinhalb und zweieinhalb Stunden. Es ist ratsam, dieTouren unter der Woche zu planen, um den grössten Andrangzu vermeiden. Frühzeitiges Aufbrechen ist unerlässlich, um genügendZeit für die Begehung zu haben. Beste Zeit für die Wandist zwischen Dezember und Februar, je nach Bedingungen.‹1› Seine Neutour am Piz Güglia (3380 m)erschloss Roger Schäli im aufwendigen, aberemotional reizvollen Rope-Solo-Stil.‹2› Gespür für Eis: Beim Skitourengehenentdeckte Schäli eine machbare Linie in derNordwestwand – und wartete dann geduldigauf gute Bedingungen.1415

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