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Inspiration 3/2018 dt

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GLOSSE UNTERRUBRIK

GLOSSE UNTERRUBRIK RUBRIK 238 MATTERHÖRNER TEXT EMIL ZOPFI Ich war noch nie auf dem Matterhorn. Sie werden mir das nicht glauben. Da nennt sich einer Bergsteiger, und das seit über fünfzig Jahren, und war noch nie auf dem berühmtesten Berg der Schweiz. Oder gar der Welt. Dabei ist der doch gar nicht so schwierig, wie man weiss. Es gibt wohl Hunderte von Menschen, die keine richtigen Bergsteiger sind, und doch schon mal auf dem Gipfel des berühmten Horns ihre Selfies schossen. Sie können sich vorstellen, dass mir die Frage nach dem Matterhorn immer wieder gestellt wird, werde ich doch oft als «Schriftsteller und Bergsteiger» bezeichnet. Wenn die Standardfrage «an was schreiben Sie gerade» abgehakt ist, dann kommt unweigerlich das Matterhorn dran. Oft zuvor noch der Everest. Dass ich noch nie auf dem Everest war, wird entschuldigt. «Ich vertrage die Höhe nicht», sage ich. Und dann weiss man ja, der Ruf des Everest hat in jüngster Zeit gelitten. Schlägereien mit Sherpas, Massen im Basislager, Stau an den Fixseilen, Müll und Leichen an der Route. Alles kostet auch noch ein halbes Vermögen. Also bitte, muss nicht sein. Aber das Matterhorn! Ist nicht so hoch, und einen Bergführer kann sich heute fast jedermann und jedefrau leisten. «Ich war mal auf dem Impressum «Inspiration», die Kundenzeitschrift der Bächli Bergsport AG, erscheint 4 x jährlich und ist in allen Filialen kostenlos erhältlich. Auflage: 130’000 Exemplare Herausgeber Bächli Bergsport AG Gewerbestrasse 12, 8606 Nänikon Telefon 044 826 76 76 E-Mail info@baechli-bergsport.ch Zinalrothorn», sage ich. Nicht ganz so hoch wie das 4478 Meter hohe Zermatter Weltwunder, dafür schwieriger. Aber das zählt nicht. Auch unsere japanischen Verwandten interessierte das Zinalrothorn nicht, sie wollten «Eiger and Matterhorn» sehen. Wir sind also bei ihrem ersten Besuch in der Schweiz aufs Jungfraujoch gefahren, schauten durchs Stollenloch in die Eigernordwand. Das Matterhorn sparten wir für den nächsten Besuch. Aber da wollten unsere Japaner aus irgendeinem Grund nichts mehr vom Matterhorn wissen, sondern Stein am Rhein besuchen und den Rheinfall. Wenn ich schon beim Eiger bin. Frage Nummer drei an den Bergsteiger lautet meist: «Aber die Eigernordwand haben Sie doch schon gemacht!?» Das ist eigentlich keine Frage, es ist ein Test. «Ich bin halt mehr der Sportkletterer», rede ich mich kleinlaut heraus, «und am Eiger da hat’s steiles Eis.» «Ah, Freeclimbing! Ohne Seil und so! Sahen wir letzthin im Fernsehen. In den Staaten, California, in diesen tausend Meter hohen Felswänden, da kletterte einer hinauf wie eine Eidechse, kurze Hosen, Turnschuhe, Mag nesiasäcklein, oben ohne. Also sowas machst du! Wow! Great!» «Hm, so Redaktion & Layout Outdoor Publishing GmbH Eichbergerstrasse 60, 9452 Hinterforst Telefon 071 755 66 55 E-Mail redaktion@outdoor-publishing.com Druck Bruhin AG, Pfarrmatte 6, 8807 Freienbach Telefon 055 415 34 34 E-Mail info@bruhin-druck.ch Ähnliches», murmle ich. «Nicht grad so hoch und so schwer, oben mit und mit Seil. In Amerika war ich auch schon ...» Doch die Sache hat sich erledigt. Themenwechsel. «Was hältst du von Trump?» Ich wollte noch erwähnen, dass ich mal in den Red Rocks bei Las Vegas eine 5.11b geklettert bin. On sight. Aber das verstehen nur Insider, die andern denken: fliegt der nach Las Vegas zum Klettern statt nach Zermatt zum Matterhorn. Ist der Mensch noch bei Trost? Nach Las Vegas geht man zum Gambeln, zum Cirque du Soleil oder zum Heiraten. Es ist eine Krux mit unserem Sport. So vieles ist Aussenstehenden schwer zu erklären – und wir begreifen ja selbst nicht so recht, was wir da treiben und was uns treibt. Klar, als junger Bergsteiger wollte ich einmal aufs Matterhorn, wurde in einen schrecklichen Unfall verwickelt, das war’s dann gewesen. Ich wollte das böse Horn nicht einmal mehr sehen, geschweige denn besteigen. Ein Trost ist, dass es nicht nur ein Matterhorn auf der Welt gibt. Freund Daniel Anker, der Alpinhistoriker, sammelt Matterhörner. Also Berge, die Matterhorn genannt werden, weil sie dem grossen Vorbild gleichen. Inzwischen kennt er 238 davon. Eines habe ich letzthin bestiegen, das «Matterhorn von Elba», auch Monte Giove geheissen, 855 Meter über dem Meer. Wenn Sie mich also in Zukunft fragen: «Waren Sie schon mal auf dem Matterhorn?» Dann kann ich mir die Sache einfach machen: «Ja, ich war. Sogar ohne Bergführer.» Konzept: outkomm gmbh Copyright Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen und multimedialen Systemen. ILLUSTRATION: SOPHIE KETTERER 48 INSPIRATION 03 / 2018 3

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