Ein abenteuerlicher Steig führt zur Silberhornhütte. Er erlaubt einmailge Tiefblicke ins Hintere Lauterbrunnental. VERSTECKTER WINKEL 12
WEGWEISER LAUTERBRUNNENTAL TEXT & FOTOS IRIS KÜRSCHNER Lötscher gaben ihr den Namen. Das Quellgebiet der weissen Lütschine ist durch den Taleinschnitt selbst von Norden nicht einsehbar. Wer hinter den Vorhang steiler Felsklippen im Lauterbrunnental schaut, staunt über einen wilden Gebirgskessel. Beim ersten Donnern geht der Blick zum strahlend blauen Himmel. Erst das zweite Donnern rückt die Ursache ins Bild: Mit Wucht sucht sich an der Gletscherflanke vis-à-vis eine Lawine ihren Weg über fast lotrechte Wände. Was manch einem Gast des Berghotels Obersteinberg den Kuchenbissen im Hals stecken bleiben lässt, ist hier im Hinteren Lauterbrunnental ganz alltäglich. Vor allem im Frühsommer, wenn unzählige Silberfäden das Gelände durchziehen: angeschwollene Bäche, die als Wasserfälle über Felsen schiessen und dem Tal seinen Namen gaben. Die Natur ist hier ganz nah: Vor der Hütte lümmeln Murmeltiere, gleich unter der Terrasse treffen sich abends manchmal Steinböcke. Seit über hundert Jahren gehört die Alp Obersteinberg der Familie von Allmen. 1989 übernahmen die Geschwister Dori, Hugo und Hans-Christen den Gastbetrieb von ihren Eltern. In den Zimmern duftet es nach Holz, durch die Fenster strahlen weisse Drei- und Viertausender auf dicke Federbetten. Die Kerzen auf den Nachttischchen und die Waschschüsseln auf der Kommode sind keine Dekoration. Es gibt hier weder Strom noch fliessend Wasser. «Heute nennt man das nostalgisch», sagt Dori und schmunzelt. Die Sommermonate auf der Alp bedeuten für die Geschwister viel Aufwand. Dori etwa benutzt zum Waschen eine Wassermotor-Maschine von 1930. Hans-Christen versorgt die Kühe, macht aus frischer Milch Butter, Rahm und Käse. Nur Hugo, der sich einst mit seiner Mulidame Fiona um den Lebensmittel- und Getränketransport kümmerte, ist nicht mehr. Vielleicht schaut er jetzt von oben runter und freut sich, dass einer seiner Cousins immer wieder für Frischkost ins Tal hinuntereilt, um sie dann auf steilem Pfad 870 Höhenmeter hinaufzuschleppen. Denn eine Zufahrtsstrasse gibt es nicht. Stechelberg, das letzte Dorf im Lauterbrunnental, ist Endstation der Postautolinie wie auch aller öffentlich zugänglichen Strassen. DIE MAGIE DES BERGFRÜHLINGS Mit heute rund 2,5 Millionen Übernachtungen pro Jahr gehört die Jungfrauregion zu den gefragtesten Urlaubszielen der Schweiz. Doch bekanntlich werden von der Masse nur die Klassiker abgeklappert. Schon 1859 muss das ähnlich gewesen sein, als sich am 9. August der St. Galler Alpenpionier Weilenmann ins Hintere Lauterbrunnental aufmachte, flüchtend vor der «Zudringlichkeit der Wegelagerer, in Gestalt von Führern und Sesselträgern, Erd- und Himbeerverkäufern, Alphornbläsern und Echoerweckern, Marqueurs de bâtons, Schnitzereien- und ‹Souvenirs du Staubbach›-Händlern». Dann aber «überrascht es angenehm, wenn er, kaum das Dorf und den Staubbach im Rücken, sich unversehens von der hehren Stille eines unentweihten Alpenthales umgeben sieht.» Und weil das Hintere Lauterbrunnental mit ins UNESCO-Welterbe aufgenommen wurde, wird das auch so bleiben. Das Tal der 72 Wasserfälle, von Goethe poetisch verewigt, zeigt seine besondere Magie im Bergfrühling. Mächtig donnern dann die Holdri- und Schmadribachfälle. Kraftorte, an denen man nicht selten ganz alleine steht. Nur zu Fuss erreichbare Berghotels sind Garant für eine nostalgische Übernachtung. Obersteinberg, das höchstgelegene, hat sich als Kerzenhotel einen Namen gemacht. Auch Weilenmann genoss diese Herberge, wo «gegenüber schauerlich wild, in nackten Felsflanken die Jungfrau sich thürmt». Dieser Blick Über glatt geschmirgelte Strählplatten ist bald die Silberhornhütte erreicht. INSPIRATION 02 / 2018 13
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