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Inspiration 03-2019

RUBRIK UNTERRUBRIK

RUBRIK UNTERRUBRIK WEGWEISER REMY-BRÜDER EIN LEBEN FÜR DEN ROCK TEXT CLAUDE & YVES REMY Unsere vier besten Routen in der Schweiz? Das ist fast schon unhöflich, und eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit», meint Claude, mit Jahrgang 1953 der drei Jahre ältere Bruder von Yves Remy. Schon die Selektion für ihren 2016 erschienenen Auswahlführer «Dreams of Switzerland» dürfte die ein oder andere schlaflose Nacht bereitet haben. Kein Wunder, denn die Liste ihrer Erstbegehungen reicht von den heimischen Schweizer Alpen über Chamonix, Verdon und Arco bis hin zu den griechischen Kletter- Hotspots. Über 12’000 erschlossene Seillängen dürften es insgesamt sein. Absolutes Eldorado: Über dem Grimsel- Stausee verläuft die Riss- und Verschneidungskletterei der Motörhead durch den 500 Meter hohen Plattenschuss. Marcel Remy, der kürzlich noch mit stolzen 96 Jahren im sechsten Grad im Vorstieg kletterte, hat seinen beiden Söhnen das Klettern wahrlich in die Wiege gelegt. Nur wenige Jahre nachdem Vater Marcel seine Söhne das erste Mal ans Seil gebunden hatte, richteten Claude und Yves bereits eigene – damals noch mit Hand eingebohrte – Routen ein. Ihr legendäres Gespür für logische Linien und guten Fels machte sie bekannt, alle Routen sind geprägt von ihren beiden grössten Freuden: Entdeckerlust und Rockmusik. MOTÖRHEAD BERNER ALPEN Erstbegehung: 1981 Seit über einem halben Jahrhundert haben sich Yves und Claude Remy dem Klettern verschrieben. Den Brüdern gelangen über tausend Erstbegehungen – die meisten davon in den Alpen. Die Auswahl ihrer vier Favoriten in der Schweiz zu küren, fiel den Brüdern entsprechend schwer. FOTO LINKS: DAVID HAEFELI / COLORIA.CH, FOTO RECHTS: ARCHIV REMY DER BEGINN EINER NEUEN ZEIT «Motörhead auf der Platte von Eldorado ist für uns weit mehr als eine aussergewöhnliche Route. Ihren Ursprung hat sie im musikalischen Umbruch Mitte der 60er- Jahre: Angefangen mit den Songs der Beatles wurden die klassischen Klänge weniger, über The Who, Led Zeppelin oder Black Sabbath gewann das Dröhnen an Kraft. Doch erst Motörhead schaffte die Perfektion des neuen Sounds. Als das Trio um Lemmy Kilmister im Sommer 1981 sein erstes Live-Album «No sleep til Hammersmith» veröffentlichte, hörte sich für uns die Erde auf zu drehen, so verdutzt und erstaunt waren wir, dass so ein Sound existieren konnte. Zurück zum Klettern: Während unserer Fahrten von Lausanne auf den Grimsel lief ebendiese Motörhead-Kassette in Endlosschleife. Sogar das Auto hüpfte vor Freude. Inspiriert und bestärkt von der Musik eröffneten wir eine erste Route auf der schönsten Granitplatte der Alpen, tags darauf eine zweite, die beide Künste vereinte: den Hardrock und das Klettern. Jeder Künstler will Perfektion. Und wie Künstler hatten wir, wenige Tage nach Veröffentlichung dieses Jahrhundertalbums von Motörhead, die perfekte Note gefunden – oder in diesem Fall die perfekte Route.» Charakter: Die Remy-Ikone schlechthin: 14 Seillängen, eine logische Linie von Rissen und Verschneidungen auf wunderbaren Gletscherschliffplatten. Die Remy-Brüder eröffneten sie mit Keilen und 10 Normalhaken. 2003 wurde sie mit 60 Bohrhaken saniert – 28 davon für Stände. Schwierigkeit: 6b (6a+ obligat.), 14 Seillängen Material: 50 Meter Doppelseil, Satz Klemmkeile und Friends (0,75 – 3), 10 Expressschlingen Zustieg: Vom Grimsel Hospiz (1950 m) über die Staumauer auf die rechte Seeseite, den Wanderweg entlang bis zur Granitmauer. Der Einstieg befindet sich an der markanten Verschneidungslinie, Routenname ist angeschrieben (1,5 Stunden). Abstieg vom Gipfel: Abstieg erfolgt in östlicher Richtung erst über flache Platten, dann durch steiles Gelände über Steigspuren hinab. Nach dem ersten Drittel entweder links in eine Rinne abklettern oder rechts davon 25 Meter abseilen. Beste Jahreszeit: Sommer und Herbst (südliche Exposition; kann in der Sonne sehr heiss werden) Tipps: Die Platte vom Eldorado trocknet schnell, auch nach heftigen Regenfällen. Angesichts der Länge der Route ist es zudem von Vorteil, etwas grössere Kletterfinken mitzunehmen, wenn man die Füsse nicht zu sehr quälen will. INSPIRATION 03 / 2019 33

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