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Inspiration 03-2019

RUBRIK UNTERRUBRIK

RUBRIK UNTERRUBRIK KONTROVERS UNTERRUBRIK ROUTENSANIERUNG RUBRIK K O N T R O V E R S «KLETTERROUTEN SIND EINE ART KUNSTWERK AM BERG» «ES MACHT WENIG SINN, HOLZKEILE IN DIE FELSEN ZU DRESCHEN» «EINE OPTIMALE SANIERUNG IST KEINE ONE-MAN-SHOW» HEILIGE HAKEN? PROTOKOLL RABEA ZÜHLKE Das Sanieren von Kletterrouten bringt mehr Sicherheit am Fels. Doch gleichzeitig verändern Bohrhaken den Charakter einer traditions reichen Tour. Zwischen Urheberrechtsverletzung und dem Recht auf Sicherheit: Wie viel Sanierung ist zu viel? Wir haben drei Experten gefragt. ROUTENSANIERUNG «Für mich sind Kletterrouten eine Art Kunstwerk am Berg. Mit dem Gelingen einer Erstbegehung eröffnet der Kletterer einen Weg durch die Wand, der wie ein Kunstwerk sichtbar ist. Aus meinem Verständnis heraus ist der ‹Keep Wild›-Stil, klettern, ohne Spuren zu hinterlassen, dabei der beste und sauberste Stil, da für kommende Generationen der Abenteueraspekt erhalten bleibt und, bis auf das Topo, nichts zurückgelassen wird. Der Nachteil für nicht so versierte Kletterer ist, dass der Gang ins Unbekannte immer Gefahren birgt. In den Alpen haben sich so verschiedene Stile etabliert, was ich gut finde. Keiner muss eine Route klettern – das sollten Kletterer auch vor einer Routensanierung bedenken. Bei der Sanierung ist zudem die Frage nach dem Respekt vor dem Erstbegeher und seinem ‹Kunstwerk Kletterroute› berechtigt. Bis jetzt durfte jeder sanieren, was zu sinnvollen Aktionen wie dem Austausch alter gefährlicher Haken, aber auch zu Veränderungen des ursprünglichen Charakters führte. Es muss unterschieden werden, ob ‹nur› der Austausch der vom Erstbegeher gewählten Sicherungsmittel stattfindet, oder ob der Charakter verändert wird, wie es beim Austausch von Schlaghaken durch Bohrhaken der Fall ist. Dies finde ich respektlos und engstirnig, da aus der Historie heraus verschiedene Stile entstanden sind und diese gewahrt gehören. Der Stil einer Route ist wie ein Denkmal. Man würde auch kein Gemälde überpinseln oder abreissen! Sanieren heisst für mich ein Austausch der verwendeten Sicherungsmittel ohne die Veränderung des Stils. Ist das nicht möglich, weil zum Beispiel der Fels bei einem Schlaghaken weggebrochen ist, sollte eine Klettergemeinschaft darüber entscheiden. Aus meiner Erfahrung heraus plädiere ich dafür, dass nur ausgebildete, erfahrene Bergsteiger, eventuell sogar mit einer speziellen Lizenz, sanieren sollten.» ROBERT JASPER DEUTSCHER EXTREMBERGSTEIGER FOTO LINKS: FRANK KRETSCHMANN, FOTOS RECHTS: ZVG, FRANZISKA FRUTIGER «Es gibt grob drei Stile von Absicherungen: Plaisir abgesichert (= gut abgesichert), Abenteuer- (teilweise weite Hakenabstände) und Clean-Climbing-Routen. Bei der Frage, was eine ‹gute› Routensanierung ausmacht oder wie viel Sanierung zu viel ist, wird es also tricky. Aus meiner Sicht sollten diese verschiedenen Philosophien nebeneinander Platz haben. Dabei ist wichtig, dass ein neu gesetzter Haken sitzen und ein möglichst langlebiges Material verwendet werden muss. Alles andere wäre schade für das Geld und die Zeit. Werden in einem Clean-Climbing- Gebiet nur die Standplätze eingerichtet, ist das doch perfekt. Wichtig ist die Information, wie saniert wurde. Wer das machen darf? Darüber gibt es keine Regeln. Ich bin jedoch der Meinung, der Sanierer soll das Handwerk, ‹Wie setzt man wo welche Haken und Anker?›, verstehen sowie Erfahrung und Fachwissen mitbringen. Vor dem Sanieren sollte mit dem Erschliesser der Route möglichst immer Kontakt aufgenommen werden. Wichtig sind auch die ‹Locals›, damit die Route im Stil des Gebietes saniert wird. Ist der Erschliesser gestorben, sind die ‹Locals› noch wichtiger. Historische Routen dürfen dabei erhalten bleiben, sofern dies der Erstbegeher wünscht. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Erstbegeher meistens daran Freude haben, wenn ihre Route oft begangen wird. Das heisst, für viele Wiederholungen muss die Route periodisch saniert werden. Ein weiterer Aspekt ist folgender: Wenn die Erstbegeher das damals modernste Material eingesetzt haben, soll auch heute das beste Material eingesetzt werden dürfen. Es macht wenig Sinn, heutzutage noch Holzkeile in die Felsen zu dreschen! Trotzdem bin ich voll dafür, dass es ein ‹Recht auf Risiko› geben muss. Wie schon erwähnt, sollten auch in Zukunft möglichst alle Stile erhalten bleiben. So können wir die Vielfalt im Bergsport wahren.» BRUNO HASLER SCHWEIZER ALPEN-CLUB SAC, BEREICHSLEITER AUSBILDUNG UND SICHERHEIT «Der Verein reBolting organisiert und unterstützt die Sanierung von Kletterrouten. Seit der Gründung 2017 wurden dadurch über 150 Routen saniert oder teilsaniert. Die Beschreibungen (Topos) der sanierten Routen werden regelmässig auf unserer Website publiziert. Das zur Verfügungstellen von Hakenmaterial ist nur ein Aspekt unserer Tätigkeit. So möchten wir die Kommunikation zwischen den Sanierern, dem Erschliesser und den Kletterern optimieren, damit klar ist, welche Routen von wem neu saniert wurden oder wo beispielsweise ein Sanierungsbedarf besteht. Wir sehen Sanierungen also prinzipiell als etwas Notwendiges: So können verrostete Haken ersetzt, Standplätze erneuert und Routen wieder sicherer gemacht werden. Jeder Routensanierer sollte sich dabei an den bestmöglichen Standards orientieren und nachhaltiges Material verwenden, das zu den Gegebenheiten des Gebietes sowie zur Felsqualität passt. Darüber hinaus muss die Ethik des Gebietes beachtet werden. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Problemen gekommen. So wurde ohne die Zustimmung der Locals oder der Erschliesser saniert, altes Hakenmaterial nicht sauber entfernt oder eine Route ohne Absprache verlängert. Es gibt zwar kein Gesetz, wer sanieren darf, aber eine optimale Sanierung ist keine «‹One-Man-Show›. Am besten sollten Kletterer sanieren, die in der Region zu Hause sind, sich auskennen und dort viel klettern. Daneben ist der Austausch mit den Erschliessern der Route wichtig, um den Charakter beizubehalten. Kletterrouten mit ernsthaftem Charakter haben genauso ihre Berechtigung. Bei einer Tour am Eiger, die Kletterer bisher mit Schlaghaken, Keilen oder anderen mobilen Sicherungsgeräten absichern mussten, wäre es zum Beispiel ein grosser Verlust, alles mit Bohrhaken vollzusetzen. Als Verein wollen wir Tipps zur Routensanierung geben, aber keine Verbote aufstellen.» RAPHAEL SCHMID GRÜNDER VON REBOLTING rebolting.ch 30 INSPIRATION 03 / 2019 31

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