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Inspiration 03/2016 dt

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Genusskletterei vor den

Genusskletterei vor den fotogenen Spalten des Persgletschers. Im Hintergrund «verspeisen» die Wolken gerade das Berghaus Diavolezza. Wegweiser 6

HIMMELSLEITER AUFS SILBERSCHLOSS Genusskletterei in festem Granit, ein schmaler Firngrat, der steil auf den Gipfel führt, und die magische Spaltenwelt eines zerklüfteten Gletschers: Der Nordpfeiler am Ostgipfel des Piz Palü begeistert mit allen Reizen, die eine Hochtour bieten kann. Vorausgesetzt, die Bedingungen passen. Eigentlich war das Thema schon abgehakt. Der Ausstieg aus dem endlosen Blockgrat des Nordpfeilers zum Ostgipfel des Piz Palü sollte das Zeichen zum Durchatmen sein. Geschafft. Aber gerade als Hannes seinen Rucksack von der rechten Schulter flutschen lässt, bleibt sein Blick an der vorausgehenden Seilschaft hängen. Die Seilzweite kniet am Einstieg in die Firnschneide, nach vorne gebeugt, die Frontalzacken der Steigeisen in den Untergrund gerammt. Entspannt sieht das nicht aus. Caro, Hannes und Ingo tauschen verdutzte Blicke. «Was macht die da?», fragt Caro. Im gleichen Moment wird es ihr klar: Die Dame sichert. Mit stoischem Blick scheint sie die Eisschraube vor ihren Knien hypnotisieren zu wollen: «Du bleibst stecken – egal, was passiert.» Der Mann am anderen Ende des Seils setzt behutsam die Steigeisen auf und tastet sich über den Grat. Auch das sieht nicht entspannt aus. Die Hoffnung auf angenehmen Trittfirn ist dahin – dafür klingen die Worte von Bergführer Markus Wey wieder im Ohr: «Bei Blankeis kann der Ausstieg schnell zur Schlüsselstelle werden», hatte der technische Leiter der Mammut Alpine School im Vorfeld gewarnt. Tags zuvor, am Parkplatz unter der Diavolezza, hatten Caro, Hannes und Ingo sich gegen das Zusatzgewicht entschieden und einige Eisschrauben zurück in den Kofferraum gepackt. Jetzt trennen sie 180 Höhenmeter vom Ausstieg, fünf Eisschrauben sind immerhin im Gepäck. Das Bernina-Gebiet wird zu Recht als «Festsaal der Alpen» tituliert. Der 3901 Meter hohe Piz Palü, das «Silberschloss», ist neben dem Piz Bernina der Vorzeigegipfel der Region und für viele Bergsteiger ein Traum. Vom Berghaus Diavolezza glänzt der Riese besonders formschön: Fast vollständig liegt eine Schnee- und Eiskruste auf dem «Dreineuner», in der Nordwand ragen drei Felspfeiler aus dem ewigen Weiss. Vollkommenheit mit Zuckerguss Wie die Zacken eines Dinosaurierrückens führen die Pfeiler zum Gipfel. Ganz links der östliche Nordwandpfeiler, oft schlicht «Ostpfeiler» genannt. Er ist der leichteste der drei kombinierten Anstiege und bietet engagierten Hochtourengehern eine vollkommene Tour mit Kletterei bis in den oberen vierten Schwierigkeitsgrad. Als «Dessert» endet der Pfeiler auf den letzten Höhenmetern als schmaler, makelloser Firngrat. Eine echte Himmelsleiter, an der man sich schwer sattsehen kann – denn der Palü ist allgegenwärtig. Ob beim Blick aus dem Zimmerfenster, beim Abendessen hinter der Wegweiser 7

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