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Inspiration 03/2016 dt

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Beim Hautmodell-Test

Beim Hautmodell-Test wird die Dampfdurchlässigkeit von Laminaten getestet. Expert Hohenstein Institute 32 Bechermethode. Sie ist preiswert, simpel und beruht darauf, dass der durch die Membran passierte Dampf gewogen wird. Das Ergebnis nennt sich MVTR (Moisture Vapor Transmission Rate) und wird in Gramm pro Quadratmeter pro 24 Stunden angegeben – je höher der Wert, desto besser. 10’000 g/m 2 /24h beispielsweise wäre ein sehr schlechter Wert. Das Problem: Mit dem MVTR-Wert sind eigentlich nur Jacken eines Herstellers untereinander vergleichbar. So gut wie nie wird angegeben, welche Testbedingungen herrschten – Stichwort Partialdruckgefälle. Und natürlich ist davon auszugehen, dass jeder Hersteller dafür sorgt, dass unter Idealbedingungen getestet wird. Vergleichbarer ist die Methode des Hautmodells nach ISO-Norm 11092. Sie ist teurer und komplexer als die Bechermethode. Im Test wird das Laminat auf eine 35 °C warme Heizplatte gelegt, die Wasserdampf aus «Poren» aufsteigen lässt. Schweiss, der nicht durch das Laminat passiert, kühlt die Platte ab. Muss die Platte stetig nachgeheizt werden, ist das Laminat also weniger atmungsaktiv. Das Ergebnis nennt sich RET-Wert (Resistance to Evaporating Heat Transfer). Er bezeichnet grob gesagt den Aufwand, der zum Nachheizen der Platte nötig ist. Je niedriger der RET-Wert, desto dampfdurchlässiger ist ein Laminat. Ein RET-Wert kleiner als drei gilt als sehr gut. Wer braucht was? Die gute Nachricht ist: Für fast jedes Vorhaben gibt es mittlerweile ein passendes Laminat. «Es muss nicht immer Gore sein, obwohl die Anziehungskraft der Marke immer noch sehr gross ist», sagt Liss. Auch Markennamen wie Dermizax, Pertex, eVent, Gute Belüftungsöffnungen, etwa grosse Pitzips, tragen entscheidend zum Komfortklima bei. DryQ oder Polartec NeoShell stehen für leistungsfähige Membranen. Die schlechte Nachricht: Alle haben ihre eigenen Vor- und Nachteile, was Robustheit, Dampfdurchlass, Tragekomfort und Pflegeaufwand anbelangt. «Welche Atmungsaktivität für welchen Träger bzw. welchen Einsatzbereich nötig ist, lässt sich kaum sagen», gibt Liss zu bedenken. Zwei primäre Fragen sollten sich Bergsportler daher stellen, wenn sie vor dem Kauf einer neuen Jacke stehen: Wie stark werde ich die Jacke beanspruchen? Und wie wichtig ist mir bestmöglicher Dampfdurchlass? Je nach Einsatzgebiet lässt sich dann beispielsweise entscheiden, ob eine mikroporöse oder eine porenlose Membran sinnvoller wäre. Porenlose Membranen brauchen keine schützende Beschichtung aus Polyurethan. Sie sind daher dampfdurchlässiger und auch elastischer als mikroporöse Membranen. Und natürlich spielt auch eine Rolle, wie die Membran letztlich laminiert wird. Bei Drei-Lagen-Laminaten wird die Membran zwischen einen Oberstoff und ein Innenfutter laminiert. Liss empfiehlt sie für anspruchsvolle Alpineinsätze mit hoher Beanspruchung, bei denen gute Atmungsaktivität gefordert ist. Vorteile sind die Robustheit und hohe Funktionalität, Nachteile das meist höhere Gewicht und bisweilen der Tragekomfort. Sogenannte 2,5-Lagen-Laminate sind auf der Innenseite nur dünn be- Arc’teryx

Für härtere Einsätze wie Alpinklettern sollten Laminate über eine hohe Abriebfestigkeit verfügen. schichtet. Sie sind leichter und lassen sich kleiner verpacken, wegen geringerer Membranstärke und Wassersäule sind sie sehr atmungsaktiv. Nachteil ist die mangelnde Dauerhaltbarkeit. Bei 2-Lagen-Laminaten muss man meist Abstriche in der Atmungsaktivität machen, sie eignen sich laut Liss für moderate Anwendungen mit mittlerer Beanspruchung. Da einem Laminat seine Robustheit nicht anzusehen ist, sollte man gerade in puncto Haltbarkeit der Fachberatung in den Bächli Bergsport Filialen vertrauen. Unabhängig von der Atmungsaktivität braucht ein Kletterer eine andere Jacke als ein Wanderer. ORTOVOX / Johannes Mair Und die Umwelt? Was die Funktion einer «Funktionsjacke» betrifft, hängt viel von ihrer Imprägnierung ab. Die Behandlung der Jacken mit perfluorierten Chemikalien (PFC), die diesen Job am besten erledigen, hält die gesamte Branche seit einigen Jahren auf Trab – sie stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Immerhin sind die Hersteller fast ausnahmslos von den quasi nicht abbaubaren C8-Molekülen auf die etwas gemässigteren sechskettigen Moleküle umgestiegen. Zwar gibt es bereits heute PFC-freie Imprägnierungen. Doch die hält nicht nur Marktriese Gore für zu wenig leistungsfähig (siehe Interview). Mit dem schnellen Abfall der wasserabweisenden Wirkung nicht fluorierter DWR könne «sicherlich kein Kunde zufrieden» sein, so das Firmenstatement. Auch Marcus Liss sagt zum Thema PFC-Alternativen: «Es gibt noch sehr wenig Produkte auf dem Performance-Level, wie es unsere Kunden benötigen.» Deshalb versuchen manche Hersteller, ganz auf Oberstoffe zu verzichten. Ende 2015 brachte Gore seine neue «Active»-Kollektion auf den Markt, bei der kein Oberstoff mehr über der Membran liegt. Die Membran selbst soll wegen ihrer Struktur über eine «dauerhaft abperlende» Beschichtung verfügen. Laut Gore wurde die Kollektion wegen der hohen Anstrengungen «speziell für Läufer sowie Strassenradsportler» entwickelt. Ein anderer Grund dürfte sein, PFLEGE Funktionsjacken sollte man wie ein normales Textilprodukt behandeln: «Wird es regelmässig getragen, sollte es auch regelmässig gewaschen werden, denn Cremes, Fette und Salze schaden den Membranen», empfiehlt Liss. Schonendes Waschen (Herstellerangaben beachten!) ist Pflicht, denn hohe Schleudergänge können der Membran wiederum mechanisch schaden. «Perlen Wassertropfen nach der Wäsche nicht mehr wie gewohnt ab, dann unbedingt imprägnieren», empfiehlt Liss, «am besten durch Aufsprühen». Die Imprägnierung muss meist noch durch Hitze aktiviert werden – per Wäschetrockner oder Bügeleisen auf tiefer Stufe. dass eine Membran ohne Oberstoff anfälliger für Rucksackträger und raue Aktivitäten wie Bergsteigen ist. Am Geld wird es jedenfalls nicht scheitern: 2015 gab Gore bekannt, die «anhaltende Debatte über PFCs ernst zu nehmen» und lobte ein 15 Mio. Dollar teures Forschungsprogramm nach alternativen Technologien aus. Die Suche nach den Grenzen der Physik geht also weiter. TEXT: THOMAS EBERT FOTOS: ZVG Expert 33

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