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Inspiration - 02.2019

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EXPERT LEICHTE

EXPERT LEICHTE BERGSCHUHE LEICHT ZU HABEN «300 Gramm weniger am Fuss spürt man genauso wie zwei Kilo weniger im Rucksack» – sagt Produktberater Ernst Schärer von Bächli Bergsport. Schön, dass das Angebot an leichten Bergschuhen so vielfältig ist wie nie – die Auswahl muss damit aber noch sorgfältiger getroffen werden. ILLUSTRATION: SOPHIE KETTERER TEXT THOMAS EBERT Hand aufs Herz: Wir Bergsteiger haben fast alle unsere Leichen im Keller. Ganz egal, ob es die eigenen sind oder die vom Grossvater: Ihre Entsorgung fällt einfach schwer. Zu schön sind die Leichen aus braunem Leder, mit ihren silbernen Ösen und roten Schnürsenkeln – aber nicht nur schön, sondern auch schön schwer. Selbst entstaubt bringt so ein Bergschuh aus den 70er- oder gar 60er- Jahren schnell mal das doppelte Gewicht eines modernen Modells auf die Waage. Ein gut gemeinter Rat: Lassen Sie Ihre Leichen dort unten ruhen – es ist besser für alle Beteiligten. «300 Gramm weniger am Fuss spürt man genauso wie zwei Kilo weniger im Rucksack» – Bächli-Produktberater Ernst Schärer führt die entscheidende Faustregel für leichte Bergschuhe gleich ins Feld. Warum sich das Leben schwer machen, wenn es auch leichter geht? So rhetorisch, wie diese Frage wirkt, ist sie gar nicht: «In der Schweiz verkaufen wir immer noch viele schwere Lederschuhe. Das hat mit Tradition zu tun – man ‹braucht› eben einen Lederschuh, wenn man in die Berge geht», erklärt Schärer den Zeitgeist. Dennoch gehe der Trend klar in Richtung Schuh-Diät: «Im heutigen Bergsport geht es um Tempo. Es gibt Profis, die teilweise mit besseren Turnschuhen über die Viertausender rennen. Und die Schuhbranche hat derzeit den Antrieb, das auch für den Normalbergsteiger umzusetzen.» Nur ein Beispiel: Zum kommenden Sommer bringt Lowa gemeinsam mit Spitzenbergsteiger David Göttler einen «athletischen, extrem leichten Profibergstiefel, reduziert auf das Nötigste» an den Start. Knöchelhoch und mit Kerbe für Kipphebel-Steigeisen soll er in Grösse acht nur 1100 Gramm wiegen – pro Paar, wohlgemerkt. So mancher Zustiegsschuh wiegt da mehr. Wie sind solche Gewichtsersparnisse möglich? «Leichter werden Bergschuhe derzeit vor allem dadurch, indem man das Leder oder die Sohle etwas dünner macht. Komplett neue Materialien, wie etwa bei den Skitourenschuhen mit Grilamid und Carbon, gibt es bei den Bergschuhen eher nicht», sagt Ernst Schärer. Tatsächlich sind leichte Futterstoffe aus Synthetik, Ösen aus Kunststoffen oder hauchdünne, wasserdichte Membranen im Schuhbau keine Revolution mehr. Für echten Fortschritt muss man sich schon etwas einfallen lassen, wie der Sohlenspezialist Vibram, der im Sommer 2018 seine Litebase-Technologie einführte. In Litebase-Sohlen wird ein vorgummiertes Gewebe einvulkanisiert, welches die Verbindung zwischen Profilstollen und Laufsohle verstärkt. Im Gegenzug darf die Laufsohle dünner werden: «Die Stärke wird dabei um bis zu 50 Prozent reduziert, also von 1,7 mm auf 0,5 – 0,9 mm, abhängig vom Sohlentyp. Das Gesamtgewicht reduziert sich daher um bis zu 30 Prozent. Im Ergebnis können wir somit eine professionelle Vibram-Sohle bieten, die in punkto Grip, Traktion und Haltbarkeit dieselben Eigenschaften bietet wie eine herkömmliche Vibram-Sohle», erläutert Davide Canciani, Global Marketing Director von Vibram, die Technologie. Hersteller wie Scarpa, Mammut und Dynafit nutzen die Technologie bereits, das angesprochene Leichtmodell von Lowa fusst ebenfalls auf einer Litebase-Sohle. Auch Hanwag feilt an der Sohle, um Gewicht zu sparen: Am überarbeiteten Alverstone II kommt die hauseigene «3D Prism Base Technologie» zum Einsatz, bei der die Laufsohle nicht eben, sondern prismenförmig strukturiert ist. Das spart Material und dadurch Gewicht – laut Hanwag bis zu 32 Prozent. AUF LEICHTEN SOHLEN Wie sieht die Kehrseite der Medaille aus? Welche Einbussen sind durch Sparmassnahmen am Schuh in Kauf zu nehmen? Zum einen der naturgemässe Gegenspieler jeder Gewichtsreduktion – die Haltbarkeit. «Je leichter, desto weniger robust – das ist definitiv so», sagt Ernst Schärer. Denn dünneres und damit leichteres Leder bedeutet natürlich auch, dass die Schuhe schneller in Mitleidenschaft gezogen werden. Bei manchem Modell wird der für Bergschuhe typische und eminent wichtige Geröllschutzrand gar nicht mehr als Stück montiert, sondern INSPIRATION 02 / 2019 19

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