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Inspiration 02/2015 dt

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«Ich wäre gerne

«Ich wäre gerne Bergführer geworden.» Immer in der Tasche: ein Bergkristall. GIPFELTREFFEN 20 les. Sie zeigen, wie klein wir und unsere Probleme sind. Die Berge waren da, bevor wir kamen, und werden noch da sein, wenn wir wieder weg sind. Die Liebe meines Vaters zu den Bergen hatte zwei Seiten. Als Bergführer hat er mich schon früh auf die Gipfel mitgenommen: mit elf aufs Blüemlisalphorn, mit 13 aufs Bietschhorn, mit 16 aufs Matterhorn. Aber er war auch Förster, musste in die Natur eingreifen. Da hat mich sein Wille beeindruckt. Unser Keller wurde damals mehrmals vom Wätterbach überflutet. Daraufhin hat mein Vater alles aufgeforstet und auch ich habe dort rund 200 Bäume gesetzt. Von da an sind wir nicht mehr überflutet worden. Ich habe die Wirkung der Taten meines Vaters am eigenen Leib erfahren. Und gelernt: Der Mensch kann, wenn er will. Mein Vater war immer ein Dienender. Das hat mich stark geprägt. Wollten Sie selber nie Bergführer werden? Doch! Ich war auch auf dem Weg dazu. Damals war ich Sekretär des Verkehrsvereins Meiringen-Haslital, war fit, bin viel geklettert in den Engelhörnern. Doch es kam anders. 1964, nach den Olympischen Winterspielen, herrschte im Schweizerischen Skiverband Katastrophenstimmung. Damals bot man mir einen Job an mit dem klaren Ziel, in Sapporo 1972 Medaillen zu holen. Ich habe mich dann für den Skiverband entschieden. Und das Schweizer Team gewann 1972 sieben Medaillen, darunter drei goldene. Bereuen Sie den Entscheid? Bereuen nicht, aber ich wäre schon gerne Bergführer geworden. Es lag einfach nicht drin, ich machte die Unteroffiziersschule, dann die Offiziersschule, die Skilehrer-Ausbildung, das Trainer-Lehramt. Die Bergführerausbildung hatte einfach keinen Platz. Sind Sie eher ein Sommer- oder Wintersportler? Beides. Aber ich freue mich immer extrem auf den Winter. Langlaufen und Skifahren liebe ich, und in Kandersteg habe ich ideale Voraussetzungen dafür. Da kann ich zwei Stunden intensiv auf Ski stehen und nach der Talfahrt direkt zu meinem Haus fahren. Die Langlaufloipen sind bis abends um Zehn beleuchtet. Ich bin zudem schnell im Lötschental oder in Zermatt, wo meine Tochter ein Hotel führt. Sie sagen, Berge helfen, Antworten zu finden. Wann war das für Sie der Fall? Wenn ich als Bundesrat müde war, ging ich ins Gasterental. Das ist mein Kraftort. Das Tal ist geblieben wie vor 300 oder 400 Jahren. Die Kander schlängelt sich unbegradigt durchs Tal, der Geltibach schiesst direkt aus dem Fels. Die Natur zeigt uns, dass sie stärker ist als wir. Sie führt uns unsere Bedeutungslosigkeit vor Augen. Einmal haben Sie als Bundespräsident auch eine Bundesratssitzung zum Budget auf

«Die Natur zeigt uns, dass sie stärker ist.» SPORT IM DIENST DES FRIEDENS Adolf Ogi (72) stammt aus Kandersteg und wohnt heute in Fraubrunnen und Kandersteg. 13 Jahre lang war er Direktor des Schweizerischen Skiverbandes (heute Swiss Ski), bevor er 1979 für die SVP in den Nationalrat gewählt wurde. Von 1988 bis 2000 war er Mitglied des Bundesrats, den er 1993 und 2000 präsidierte. Bis 1995 wirkte Ogi als Verkehrsminister. Im Jahr 2001 wurde er vom damaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan zum UNO-Sonderberater für «Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden» ernannt. Dieses Mandat gab er 2007 ab. Neben vielen anderen Ehrungen und Auszeichnungen erhielt er auch den Ehrendoktor-Titel der Universität Bern. Mit seiner Frau Katrin hat Ogi zwei Kinder, Mathias (verstorben 2009) und Caroline, die mit ihrem Mann in Zermatt das Hotel Walliserhof führt. OGIS APPELL FÜR SCHNEESPORTLAGER dem Schilthorn angeordnet, um eine Einigung zu erzielen. Ja, denn mein Credo ist: Wenn man ein Problem hat, sollte man auf einen Berg steigen, etwas zum Essen mitnehmen, und erst wieder runterkommen, wenn es gelöst ist. Das hab ich auch im Bundesrat vorgeschlagen. Nach 50 Minuten Sitzung auf dem Schilthorn schickte ich die Bundesräte raus. Die Nacht schlich herein, die Lichter gingen an, man sah den Männlichen, die Eiger-Nordwand, den Thunersee. Auf einmal wurden alle zu Lämmchen. Die Natur berührte jeden von uns. So konnten wir das Budget friedlich beschliessen. Im Folgejahr, 2001, hat der Bund dann 6,5 Milliarden Franken Überschuss gemacht. (lacht) Welches war Ihr prägendstes Outdoor- Erlebnis? Als ich 1948 mit sechs Jahren mit meinem Vater auf die Bire stieg, den Kletterberg von Kandersteg. Mit dabei war Philip Frank, ein Belgier, etwa gleich alt wie ich. Er konnte kein Deutsch, ich weder Französisch noch Flämisch. Wir hingen den ganzen Tag am Seil meines Vaters, das Wetter schlug um, es war abenteuerlich, aber wir schafften es – gemeinsam. Als wir wieder im Tal waren, waren wir Freunde, und ich legte ich ihm spontan den Arm um die Schulter. Dieses Erlebnis gab mir die Öffnung, die ich auch später als Bundesrat immer wieder zeigen Ein grosses Anliegen ist Adolf Ogi die Förderung der Schneesportlager in der Schweiz. «Erziehungsdirektion, Hotellerieund Skisportverbände, öV-Unternehmen und alle anderen wichtigen Player sollten miteinander eine grosse Aktion starten, um diese Lager zu fördern.» Denn Skifahren gehöre zu unserer Kultur und fördere den Austausch unter den Kindern der verschiedenen Sprachregionen. «Es ist wichtig, dass Kinder von den elektronischen Geräten wegkommen und dass auch Secondos den Zugang zum Schneesport finden.» Mit seiner Stiftung «Freude herrscht» hat Ogi als Signal der Gemeinde Walkringen bereits zum dritten Mal die Durchführung eines Schneesportlagers ermöglicht. konnte. Wir hatten eine andere Sprache und Kultur, das Erlebnis schweisste uns aber zusammen. Noch heute hab ich viele Freunde aus dieser Zeit. Die Outdoor-Branche hat sich stark gewandelt. Welche Veränderungen sind für Sie am einschneidendsten? Die Entwicklung der Ausrüstung und der gestiegene Komfort in den SAC-Hütten. In den Hütten gab es früher sehr wenig zu essen. Man musste alles mittragen. Als wir nach der Offiziersschule zu viert, unter anderem auch mit Franz Steinegger, die Haute Route machten, mussten wir zwischendurch absteigen, um wieder Proviant zu kaufen. Durch die Spezialisierung gibt es im Alpinismus zudem immer mehr Sportarten. GIPFELTREFFEN 21

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