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Inspiration 02/2015 dt

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Adolf Ogi: «Der

Adolf Ogi: «Der Verzicht auf die Besteigung des Mont Blanc ist mir schwergefallen». GIPFELTREFFEN 18

«DER TOD GEHÖRT ZUM LEBEN, NICHT ZU DEN BERGEN!» Alt-Bundesrat Adolf Ogi stammt aus einer Bergführerfamilie und hätte am liebsten auch diesen Berufsweg eingeschlagen. Weshalb es nicht dazu kam, erklärt der 72-Jährige im Interview, in dem er auch über seine prägendsten Bergerlebnisse spricht. Herr Ogi, vor zwei Jahren sagten Sie, Sie wollten noch einmal das Blüemlisalphorn besteigen. Waren Sie schon oben? Adolf Ogi: Leider nicht. Ich wollte es letztes Jahr unbedingt tun, da ich von der Gemeinde Kandersteg zum 70. Geburtstag ein Gipfelkreuz mit einer Widmung geschenkt bekommen habe, aber das Wetter war einfach zu schlecht. Aber ich werde es nachholen – das schaffe ich noch! (lacht) Obwohl dies eine sehr anspruchsvolle Tour ist: Bevor auf der Route Eisenstangen montiert wurden, gab es über hundert Tote ... Ja, das stimmt. Aber ich war als Elfjähriger zum ersten Mal dort oben. Das war die erste grosse Herausforderung für mich. Mein Vater vermass im Auftrag der Universität Bern die Gletscher, darunter auch den Blüemlisalpgletscher. Mit einer Viererseilschaft überquerten wir damals das Blüemlisalphorn, die Wyssi Frau und das Morgenhorn. Der Abstieg war unglaublich eindrucksvoll: Die Wand war extrem steil und vereist, und ich hatte keine Steigeisen. Da schlug mein Vater drei Stunden lang so grosse Stufen ins Eis, dass ich als elfjähriger Bub fast darin verschwunden bin. Er wusste, wie gefährlich die Passage war. Die Eisenstangen wurden übrigens nicht nur zur Sicherung angebracht, sondern auch zur Orientierung. Man hat die Tendenz, am Grat zu bleiben, aber man muss mehr rechts ziehen. Sonst gerät man auf die Platten, die sehr abschüssig sind und auf denen sich Wassereis bildet. Dort sind viele ausgerutscht. Auch der Mont Blanc stand bis vor Kurzem noch auf Ihrem Programm. Jetzt haben Sie ihn abgeschrieben. Ist Ihnen dieser Verzicht schwergefallen? Ja, sehr. Mein Vater hat mir mal den Unterschied zwischen Weisheit und Intelligenz erklärt. Dieser Entscheid fiel ins Kapitel Weisheit. Ein guter Freund von mir, ein Bergführer, hatte einen schweren Unfall am Mont Blanc. Zusammen mit dem Verlust meines Sohnes gab dies den Ausschlag, dieses Vorhaben zu überdenken, weniger Risiko einzugehen und meine Frau nicht weiter mit diesem Vorhaben zu belasten. Auch unsere Tochter ist Bergsteigerin. Aber meine Frau kommt nicht aus einer Bergsteigerfamilie. Und darauf möchte ich Rücksicht nehmen. Mit 70 waren Sie immerhin noch auf dem Allalinhorn. Ja, das war kein Problem und ist auch nicht schwierig. Ich wollte einfach noch mal auf einen Viertausender (lacht). Im selben Jahr habe ich mit meiner Tochter die Haute Route von Arolla nach Zermatt gemacht. Auch dabei ist mein Entscheid gereift, den Mont Blanc nicht mehr zu machen. Woher kommt Ihre Begeisterung für den Outdoor-Sport? Die ist in meinem Körper eingepflanzt. Mein Vater war Förster, Bergführer, Skilehrer und Gemeindepräsident. Schon früh übten die Berge eine Anziehung auf mich aus. Sie sind für mich eine Kathedrale. Sie relativieren al- GIPFELTREFFEN 19

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