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Inspiration 02/2015 dt

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Das Medical Camp auf

Das Medical Camp auf 4300 Metern dient als vorgeschobenes Basislager. Die Zelte sind mit Schneemauern vor den Winden geschützt. WEGWEISER 8 Mit der Sonne kommt nach der ersten Nacht die Wärme. Anfang Mai sind am Denali die Tage zwar bereits lang, die Nächte aber immer noch sehr kalt. So kalt, dass die Eisbrücken über Spalten auch am Nachmittag noch halten. So können wir also bequem warten, bis die Sonne am Himmel steht und Lagerleben und Aufstieg leichter macht. Aufbruch. Wir sind erst einen Tag unterwegs, und schon herrscht zum ersten Mal Chaos. So viel Material! Wohin damit? Die überlebenswichtige Daunenbekleidung ist immer am Mann, der Rest auf dem Schlitten. Neben der eigenen Ausrüstung und Verpflegung wird weiteres Material wie Kocher und Zelte zugeladen, was wir als Gruppe benötigen. Trotz gutem Training muss das Gehen mit 50 Kilo oder mehr inklusive Schlitten erst erfühlt werden. Die Beine kommen beim Abmarsch kaum in Gang. Schon nach den ersten Stunden zeigt sich: Keine Minute Training war zu viel. Das Ziehen des Schlittens und das Gewicht des Rucksacks belasten vor allem den unteren Rücken, die Bauch- und die Oberschenkelmuskulatur. Die Sonne brennt auf den Gletscher, als müsste der gesamte Schnee vom Winter heute noch schmelzen. Wo ist denn die Kälte, die wir erwartet hatten? Sonnenbrille, Sonnenhut und Sonnencreme sind auf einmal wichtiger als Daunenjacke und Daunenhose. Die Etappe zieht sich. Spätabends, es ist immer noch hell, dösen wir in Lager I ein – Kräftesammeln für den nächsten Tag. Warten, bis das Warten ein Ende hat Beim meditativen Gehen während des Aufstiegs zu Camp II schweifen die Gedanken immer wieder ab. Worte wie «Motorcycle Hill», «Squirrel Hill» und «Windy Corner» tauchen auf. Alles Schlüsselstellen, über die allerlei wilde Gerüchte kursieren. Oft haben wir darüber diskutiert, nun stehen sie uns unmittelbar bevor. Vorerst halten uns aber heftige Windböen zurück. Wir sind gefangen im Zelt. Warten. Neben der körperlichen Herausforderung ist das auf einer Expedition eine der mentalen Belastungen. Der Körper ist auf Leistung eingestellt, und jetzt liegt er da, verdammt zum Herumsitzen, Liegen, Warten. Die ideale Basis für einen Lagerkoller, genauso wie das dürftige Essen, die bescheidenen sanitären Bedingungen. Doch noch geht es uns gut. Allerdings lässt der ungewollte Ruhetag die ersten Expeditionsteilnehmer nervös werden und die Tage zählen. Ob es noch reicht für den Gipfel? Für Patrick und mich gilt die ganze Konzentration vorerst den sagenumwobenen Schlüsselstellen. Als es schliesslich mit Sack und Schlitten weiter zu Camp III geht, zeigt sich der «Motorcycle Hill» gnädig. Doch der Rest des Weges über «Squirrel Hill» und «Windy Corner» wird zur Tortur. Im abschüssigen Gelände zieht der Schlitten entweder nach links oder rechts. Unter uns klaffen wie dunkle Schlunde die Glet-

Duo: Patrick und Tobias (v. l.) vor dem Abflug zurück in die Zivilisation. Ganz schön eng! Umso besser, wenn man seinen Zeltpartner bereits kennt und sich gut versteht. scherspalten. Hüft- und Rumpfmuskulatur melden «wir sind am Limit!». Jeder Schritt schmerzt. Mit jedem weiteren Schritt verkommt die Schönheit der Natur mehr zu einem unscharfen Zerrbild. Nach einem kaum enden wollenden Marsch erreichen wir Camp III. Mit schmerzenden Hüften schaufeln wir Zeltplattformen. Hier werden wir einige Tage hausen. Seit Camp II ist das Wetter nicht mehr so stabil wie zu Beginn der Expedition. Nordwinde bringen sehr kalte Luft. In den Nächten fallen die Temperaturen bereits ohne Wind auf minus 30 Grad Celsius. Tagsüber ist es zwar «wärmer», aber mit dem Wind kann es schnell gefährlich werden für ungeschützte Hautstellen. Wir sind bereit, wollen höher. Doch nach dem Winter sind die Fixseile im Gletscher eingefroren. Ein paar Bergführer legen sie frei. Wir trainieren derweil deren Einsatz und warten ... und warten. Der psychische Druck steigt Die Zeit verstreicht. Die vielen ungeplanten Pausen zerren an den Nerven. Ich bin froh, mit meinem Freund Patrick das Zelt zu teilen. Da reichen auch Blicke zur Verständigung. Es fühlt sich an, als würde das Zelt schrumpfen, immer kleiner werden. Da ist es wertvoll, den Zeltpartner gut zu kennen. Als es dann endlich zum ersten Mal Rich- tung Eisschild und Depot vor dem Hochlager geht, muss ich mich vor lauter Anspannung übergeben. Ich fokussiere mich auf die bevorstehende Aufgabe, und so gelingt der Weg hoch und zurück doch ohne grössere Probleme. Allerdings steht der wirkliche Gipfelangriff noch bevor. Dann schliesslich ist es so weit. 20 Kilo Gewicht ziehen am Rücken Richtung Tal. Wir INFO: DENALI – EISRIESE IN ALASKA Der Denali (Mt. McKinley) ist mit 6194 Metern der höchste Berg Nordamerikas und zählt damit zu den Seven Summits. Wegen seiner nördlichen Lage zählt er zu den kältesten Bergen der Welt. Der Name «Denali» ist athabaskisch und heisst «Der Grosse». Der Berg liegt im Denali Nationalpark. Das Basislager erreicht man in der Regel per Flugzeug. Ein Anmarsch zu Fuss dauert ein bis drei Wochen. Kommerzielle Besteigungen sind nur mit amerikanischen Organisatoren möglich. In der Schweiz bieten Kobler & Partner offiziell geführte Expeditionen an. Die Verantwortung am Berg hat ihr amerikanisches Partnerunternehmen, das auch die Bergführer stellt. Es ist aber auch möglich, den Denali auf eigene Faust zu besteigen. Anders als bei kommerziellen Expeditionen im Himalaya tragen und ziehen die Bergsteiger am Denali ihr Material selber. Die Strecke ist lang und die Expedition dementsprechend anstrengend. Nicht umsonst wird die Expedition bei Kobler & Partner ähnlich anspruchsvoll wie eine Everest-Besteigung bewertet. Für die Expedition muss man rund drei Wochen am Berg einplanen. Sehr gute körperliche Fitness und ein entsprechendes Vorbereitungstraining sind unerlässlich. Patrick Stoll und Tobias Keller wurden für die Expedition zum Denali von Bächli Bergsport und Edelrid ausgerüstet. WEITERE INFOS www.denali2014.ch; www.kobler-partner.ch WEGWEISER 9

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