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Inspiration 01-2019 deutsch

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STANDPLATZ DANIEL

STANDPLATZ DANIEL MARBACHER IN GEDANKEN WEIT VORAUS «Wir müssen es schaffen, die Jungen abzuholen, ohne die älteren Mitglieder damit abzuschrecken oder zu verlieren.» Schuhmacher, Geograf, Bergführer, Betriebsökonom – der berufliche Werdegang des Luzerners Daniel Marbacher, Jahrgang 1974, ist alles andere als geradlinig. Was er anpackt, zieht er aber zielstrebig durch – in den Bergen genauso wie im Beruf. Authentizität! Ich verstelle mich nicht, stehe hinter den Dingen, mache keine halben Sachen und verfolge meine Ziele mit Nachdruck und Beharrlichkeit». Bam! Daniel Marbachers Antwort auf die Frage nach seinen Stärken kommt wie aus der Pistole geschossen. Die Frage nach seinen Schwächen muss gar nicht erst gestellt werden: «Ich verfolge langfristige Ziele und bin in Gedanken oft schon weit voraus. Da muss ich aufpassen, dass ich in meiner Ungeduld die Menschen in meinem Umfeld nicht überfordere.» Genauso zielstrebig war auch Marbachers Einstieg in den Bergsport. «In meiner Familie war ich der Einzige, der wandern wollte. Und im Alter von zehn Jahren hatte ich mir in den Kopf gesetzt, auf Skitour zu gehen». Zum Glück war da sein bergaffiner Onkel, der ihn gelegentlich mit auf Tour nahm, bis Marbacher mit 14 Jahren in den Skiclub und später in die Jugendorganisation der SAC-Sektion Entlebuch eintreten konnte. Dort traf er auf ebenso ambitionierte Gleichgesinnte. Mit 17 Jahren absolvierte er dann die erste Hochtour. Das erste Mal Steigeisen an den Füssen. Das Ziel war mit dem Obergabelhorn ambitioniert – wie hätte es auch anders sein können. «Im Abstieg verlor ich wegen einer Unachtsamkeit TEXT JÜRG BUSCHOR die Steigeisen. Insgesamt war das aber ein extrem positives Erlebnis. Die Zeit war geprägt von Abenteuer, Freiheit und Unbeschwertheit», resümiert Marbacher. Und er verschweigt nicht, dass rückblickend Unbeschwertheit und Leichtsinn oft ganz nah beieinanderlagen und er froh ist, diese Sturm-und-Drang-Zeit unbeschadet überstanden zu haben. Insgesamt neun Bergführer sind aus der damaligen Entlebucher Clique hervorgegangen, unter anderem auch Bächli Bergsport Athlet Roger Schäli. FOTO: ZVG DIE LEHRREICHSTE ZEIT Mit 21 zog es den ausgebildeten Schuhmacher dann aus den Bergen und in die Welt hinaus. Die japanische Millionenmetropole Tokyo war ein halbes Jahr lang sein Zuhause. Gigantisch gross. Fremd. Anonym. «Materiell habe ich alles gehabt. Und doch hat mir etwas gefehlt. Der Vulkan Fujiyama war zwar immer in Sichtweite, aber schien doch unendlich fern. Das war die lehrreichste Zeit meines Lebens, weil sie mir gezeigt hat, was mir wirklich wichtig ist.» Zurück in der Schweiz legte er die Maturitätsprüfung ab und studierte an der Universität Bern Geografie, Geschichte und Geologie. Mit 27 Jahren begann er die Ausbildung zum Bergführer, die er im Jahr 2003 erfolgreich abschloss. Als Partner der Bergsportschule Bergpunkt verbrachte er beruflich viel Zeit in den Bergen und konnte in dieser Zeit unzählige Klettertouren machen, viele davon gemeinsam mit seiner Frau Sibylle. Seit letztem Juni leitet Daniel Marbacher als Geschäftsführer die Geschicke des Schweizer Alpen-Clubs SAC. Klar, dass die Tourentage für den mittlerweile dreifachen Familienvater weniger geworden sind: «Aber ich nehme viele positive Erinnerungen mit aus der Zeit als hauptberuflicher Bergführer. Es sind nicht so sehr einzelne Touren oder Berge, die herausragen. Es ist die Fülle aller Erlebnisse in den Bergen, die ich oft mit denselben Menschen erleben durfte, von denen ich mittlerweile viele zu meinen Freunden zähle.» DIE ZUKUNFT DES SCHWEIZER ALPEN-CLUBS Und was haben ihn die Berge gelehrt, was er in der neuen Rolle als Geschäftsführer des SAC nutzen kann? Marbacher überlegt nur kurz: «Es ist der Umgang mit Unsicherheiten und die Methodik, wie man zu guten Entscheidungen kommt. Zielorientiertheit, Ausdauer, Kameradschaft und der Umgang mit heiklen Situationen helfen sicher auch. Und nicht zuletzt: Demut und Bescheidenheit.» Als die grössten Herausforderungen des SAC bezeichnet er die fortschreitende Digitalisierung und den damit verbundenen Kulturwandel – sowohl in der Geschäftsstelle als auch im Verein mit all seinen Sektionen. «Wir wollen die älteren Mitglieder damit nicht abschrecken und schon gar nicht verlieren. Und gleichzeitig müssen wir es schaffen, auch die Jungen abzuholen.» Das fängt für den SAC-Geschäftsführer daheim an: «Meine Kinder sollen sagen, ‹es ist cool, im SAC zu sein›. Viele junge Menschen bewegen sich zwar in den Boulder- und Kletterhallen, sind aber trotzdem keine SAC-Mitglieder, weil sie aktuell keinen Nutzen daraus ziehen.» Ein wichtiger Schritt in Der neue SAC-Geschäftsführer Daniel Marbacher 2008 beim Durchstieg der «Mescalito» (8 UIAA), einer der Klassiker-Routen in Arco am Gardasee die Zukunft ist die 2018 lancierte Tourenplattform, die Marbacher als das grösste je vom SAC realisierte Projekt bezeichnet. Weit oben auf seiner Agenda steht auch das Thema freier Zugang, für das er sich politisch einsetzt: «Eine intakte Landschaft und ein effektiver Umwelt- und Landschaftsschutz sind wichtig. Dafür setzen wir uns ein und sensibilisieren unsere Mitglieder. Aber auch der freie Zugang für Bergsportler ist wichtig, denn die Berge sind der letzte Ort für Abenteuer.» 40 INSPIRATION 01 / 2019 41

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